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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
Autoren: Isabel Allende
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behängt mit Riemen aus verschiedenen Tierfellen, die von trockenem Blut starrten.
    Wie ein rächender Dämon kam Sombe über das Dorf, entschlossen, dem Unrecht erneut zu seinem Recht zu verhelfen. Dorfbewohner, Pygmäen und selbst Mbembelés Soldaten ergaben sich ohne den geringsten Widerstand. Sie machten sich klein, als wollten sie verschwinden, und schienen bereit, jedem Befehl des Zauberers Folge zu leisten. Bestürzt mussten Kate, Alex, Angie, Joel und Bruder Fernando mit ansehen, wie das zaghafte Einverständnis, zu dem das Dorf eben gefunden hatte, durch Sombes Auftritt zunichte gemacht wurde.
    Gebückt wie ein Gorilla, die Hände auf den Boden gestützt und brüllend, drehte sich der Zauberer schneller und schneller um die eigene Achse. Dann hielt er jäh inne und deutete mit dem Finger auf einen der Umstehenden, der sofort in tiefer Trance zu Boden stürzte, sich wand und in grausigen Krämpfen krümmte. Ein anderer wurde starr wie eine Staue aus Granit, wieder anderen lief das Blut aus Nase, Mund und Ohren. Sombe wirbelte herum wie ein Kreisel, verharrte und streckte den nächsten mit der Macht einer Geste nieder. Im Nu zuckte ein Dutzend Männer und Frauen am Boden, während sich die übrigen vor dem Zauberer auf die Knie warfen, das Gesicht in den Schlamm drückten, um Vergebung flehten und Gehorsam gelobten.
    Aus dem Nichts peitschte plötzlich eine Sturmböe durchs Dorf, trug die Strohdächer der Hütten und alles Essen vom Büffet mit sich fort, die Trommeln, die Bögen aus Palmwedeln und etliche Hühner. Die Nacht loderte unter einem Gewitter von Blitzen, undim Wald erscholl ein vielstimmiges schauriges Jammern. Eine Flut von Ratten ergoss sich wie eine Heimsuchung über den Dorfplatz, war gleich darauf verschwunden und hinterließ einen modrigen Gestank.
    Mit einem Satz war Sombe in einem der Feuer, über dem das Fleisch für den Abend gegrillt worden war, tanzte auf den glutroten Scheiten, packte sie mit seinen bloßen Händen und schleuderte sie in die entsetzte Menschenmenge. Aus den Flammen und dem Rauch erwuchsen Hunderte dämonischer Gestalten, die Heerscharen des Bösen, die den Totentanz des Zauberers begleiteten. Wieder und wieder brüllte der gehörnte Leopardenkopf mit heiserer Stimme die Namen des gestürzten Königs und des besiegten Kommandanten, bis auch der Letzte in der hysterischen, gebannten Masse mitschrie: Kosongo, Mbembelé, Kosongo, Mbembelé, Kosongo, Mbembelé …
    ~
    Und da, als der Zauberer die Menschen des Dorfes völlig in seiner Gewalt hatte und triumphierend aus dem Feuer stieg, dessen Flammen noch immer an seinen Beinen leckten, ohne ihn zu verbrennen, da tauchte ein großer weißer Vogel am südlichen Himmel auf und zog Kreise über dem Platz. Alex entfuhr ein erleichterter Schrei, als er Nadia erkannte.
    Aus allen vier Himmelsrichtungen strömten die Mächte herbei, die der Adler gerufen hatte. Eröffnet wurde der Reigen von den schwarz schillernden Gorillas, vorneweg die großen Männchen, gefolgt von den Weibchen mit ihren Jungen. Dann kam Königin Nana-Asante, prachtvoll trotz ihrer Nacktheit und der dürftigen Lumpen, das Gesicht umrahmt von der weißen gesträubten Mähne wie von einer Aureole aus Silber. Sie ritt auf einem mächtigen Elefantenbullen, der steinalt war wie sie und an den Flanken die Narben von Speerwunden trug. Begleitet wurde die Königin von Tensing, dem Lama aus dem Reich des Goldenen Drachen, der in seiner geistigen Gestalt Nadias Ruf gefolgt war und seine Horde grauenerregender Yetis in Kampfmontur mitgebracht hatte. Auch der Schamane Walimai war gekommen und schritt zusammen mitdem zarten Geist seiner Frau an der Spitze von dreizehn wilden Göttern aus den Urwäldern des Amazonas. Der Indianer war wieder ein junger, stolzer Krieger, war von Kopf bis Fuß bemalt und mit Federn geschmückt. Und schließlich strömte die leuchtende Geisterschar des Waldes auf den Dorfplatz: die Ahnen und die Geister von Tieren und Pflanzen, Tausende und Abertausende von Seelen, die das Dorf erhellten wie die Sonne am Mittag und alles mit einer reinen und kühlenden Brise erfüllten.
    In ihrem phantastischen Licht verschwanden die dämonischen Heerscharen, und der Zauberer schrumpfte auf seine wahre Größe. Seine blutigen Fellbehänge, seine Ketten aus Fingern, seine Fetische, seine Klauen und Reißzähne verloren alles Bedrohliche und wirkten nur noch wie eine alberne Kostümierung. Der Elefantenbulle, auf dem Nana-Asante saß, versetzte ihm einen Stoß mit
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