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Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur
Autoren: Oliver Jahraus
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also hat man einen geradezu mythischen König – Arthur oder Artus – erfunden. Es gibt eine Reihe von älteren Quellen der Artus-Sage, doch selbst in der berühmten
Historia Regum Britanniae
aus dem Jahre 1136 spielt Artus eine entscheidende Rolle. Im 15. Jahrhundert (1485) dann erfährt der Artus-Stoff eine maßgebliche Bearbeitung durch Thomas Malory als
Le Morte Darthur
. Umso interessanter sind die Fragen, wie und warum der Artus-Stoff seinen Weg in die deutsche Literatur gefunden hat. Einer der wichtigsten Gründe war wohl, dass mit diesem Stoff und insbesondere seiner Idee einer Tafelrunde zum ersten Mal das Modell einer funktionsfähigen Weltordnung gegeben war. Es umfasste die Legitimierung von Herrschaft ebenso wie den erotischenVerhaltenskodex der Elite dieses Reiches, politische Vorstellungen ebenso wie ethische, es regelte das Verhältnis zwischen König und Gefolgsmann ebenso wie das zwischen Mann und Frau. Und vor allem war es in der Lage, mit Krisenfällen umzugehen. Ein letztes Problem konnte Artus wohl nicht lösen, nämlich das Grundproblem jeder Herrschaft: wie sie über den Tod des Herrschers hinaus auf Dauer zu stellen wäre?
    Einer der wichtigsten Vermittler war der französische Kleriker und Hofdichter Chrétien de Troyes (ca. 1140–1190), der immerhin auch drei Versromane schrieb, die von deutschen Autoren eigenständig bearbeitet wurden:
Erec et Enide
(etwa 1170), der Hartmann von Aue als Grundlage seines Romans
Erec
(ca. 1185) diente, sodann
Yvain ou Le Chevalier au lion
(etwa 1177–1181), den ebenfalls Hartmann von Aue seinem
Iwein
(ca. 1202) zugrunde legte, und schließlich den unvollendete Roman
Perceval le Gallois ou Le Conte du Graal
(1182–1191), den Wolfram von Eschenbach für seinen
Parzival
(1200–1210) nutzte. Die deutschen Autoren haben das französische Original weder nur übersetzt noch haben sie abgeschrieben. Vielmehr haben sie die früheren französischen Texte eher konsultiert, dann aber völlig eigenständige Werke geschaffen. Dennoch folgen sie einem grundsätzlichen Erzählschema, das sich stabil durchzieht, nämlich die Bewährungsprobe des Mannes bzw. Ritters. Dafür hat sich der Begriff der aventiure eingeprägt – das hat aber nichts mit Abenteurern zu tun.
    Die beiden Romane Hartmanns von Aue (gestorben vermutlich zwischen 1210 und 1220) sind fast gegenläufig angelegt: Während Erec seine Frau Enide so sehr liebt, dass er zunächst die Aufgabe der Bewährung vernachlässigt, vernachlässigt Iwein seine Ehe, weil er nur noch als Ritter in Bewährungsproben unterwegs ist. Es geht also darum, eine Balance zu halten: Ritterschaft und Liebe bzw. Ehe sind nicht einfach miteinander zu vereinbaren, sie beinhalten beide die Gefahr, den Mann zu vereinnahmen. Wenn der Ritter auszieht, um Aventiuren zu bestehen, bedeutet dies immer auch eine Läuterung seiner Persönlichkeit als Partner in einer Partnerschaft.
    6. Wirken Liebestränke? Wer einen Liebestrank braucht, um die Liebe einer Frau oder eines Mannes zu erobern, der hat die Liebe schon von Anfang an verloren. Zwei haben es gewusst: Gottfried von Straßburg und Richard Wagner, als sie beide ihre Geschichte von
Tristan und Isolde
erzählen, der eine bis 1210, vermutlich seinem Todesjahr, so dass sein Roman unvollendet blieb, und der andere, Richard Wagner, von 1856 bis 1860, der wiederum auf Gottfrieds von Straßburg Text zurückgreift.
    Im Kern erzählen beide dieselbe Geschichte. Doch bei Gottfried von Straßburg gibt es einen großen ersten Teil, der von Tristans Herkunft und Ausbildung erzählt, bis er die Voraussetzungen hat, an König Markes Hof zu gehen und dort zum Ritter geschlagen zu werden. Marke schickt Tristan nach Irland, um gegen Morolt zu kämpfen. Tristan tötet Morolt, wird aber von seinem giftigen Speer verwundet. Morolts Schwester Isolde (die Mutter der Titelheldin) pflegt ihn gesund. – Im zweiten Teil fährt Tristan unter dem Pseudonym Tantris ein zweites Mal nach Irland, diesmal, um für seinen König um die Hand der jungen Isolde anzuhalten. Nach etlichen Abenteuern und während der Rückfahrt trinken Tristan und Isolde einen Liebestrank, der eigentlich für Isolde und Marke vorgesehen war. Beide entbrennen in hoffnungsloser Liebe zueinander. Die Affäre muss, aber kann nicht geheim bleiben. Marke verbannt beide, sie kehren zurück, versöhnen sich mit ihm, können aber von ihrer Liebe nicht lassen. Tristan wird endgültig verbannt.
    Wagner lässt die Handlung seiner Oper auf dem Schiff
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