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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie
Autoren: Joseph Gelinek
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Namen neben dem Beethovens las, und rief aus: »Ronald Thomas! Ist dir klar, wer das ist?« »Er ist mir nicht gänzlich unbekannt.« »Ein Hurrikan wirbelt gerade die ganze moderne Musikwissenschaft auf, und mittendrin befindet sich dieser Mann. Innerhalb der Beethoven-Forschung ist er der Papst der Päpste. Alle halten ihn für einen faszinierenden Forscher, doch er ist außerordentlich umstritten. Manche bewundern ihn und spenden noch der geringsten seiner Schriften Beifall, andere hassen ihn und würden ihn lieber heute als morgen aus dem Weg räumen.« »Aus dem Weg räumen ... soll das heißen, ihn umbringen?«
    »Nein, ach was. Widerlegen, abqualifizieren, wissenschaftlich ins Aus befördern.« »Und du? Auf welcher Seite stehst du?« »Hundertprozentig auf Thomas' Seite. Seit Jahren verfolge ich seine Arbeit. Es wundert mich - er ist in Spanien, und ich habe es nicht mitbekommen.« »Vermutlich will er es geheim halten. Wie du siehst, wird er hier ein sehr, sehr besonderes Konzert geben.« Daniel las weiter in dem Programm. Verblüfft schüttelte er den Kopf. »Die zehnte Symphonie Beethovens! Unglaublich!«
    »Du sagst es: unglaublich. Behauptet er denn jetzt wohl, er habe sie entdeckt?«
    »Das hat Thomas eigentlich nie behauptet. Er hat sie bloß auf der Grundlage einiger Entwürfe aus Beethovens verstreutem Nachlass rekonstruiert und damit die Konservativen unter den Musikwissenschaftlern schier wahnsinnig gemacht. Was laut Programm morgen Abend aufgef ührt wird, sind ungefähr 250 Takte des ersten von vier Sätzen.« »Du wirst bemerkt haben«, sagte Durán, der die Aufregung ungemein genoss, die er bei Daniel verursacht hatte, »dass man das Konzert beinahe vollständig geheim hält. Es wurde nirgendwo angekündigt. Zudem wird es in keinem offiziellen Saal stattfinden, sondern vor ein paar handverlesenen Zuhörern in der privaten Residenz von Jesus Marañón.«
    »Es ist ganz gleich, wie viele kommen. Einige seiner Konkurrenten sind sehr kampflustig, und wenn die morgen geladen sind, könnte das ausarten.« »Ausarten? Was meinst du?«
    »Buhrufe, Fußgetrampel, Pfiffe. Zwar wird von kaum jemandem bezweifelt, dass Beethoven die Absicht hatte, nach der Neunten eine zehnte Symphonie zu komponieren - aber niemand vermag zu sagen, ob die Fragmente, die Thomas zusammengefügt hat, alle für denselben Satz bestimmt waren.«
    »Das heißt, wir haben es möglicherweise mit einem musikalischen Monstrum zu tun.«
    »Alles hängt davon ab, wie Thomas die wenigen Fragmente vernäht hat, die Beethoven komponierte. Im Prinzip erwarte ich, morgen ein Andante in b-Moll zu hören, dann ein Allegro in c-Moll. Dass er so etwas plant, ist zumindest in der Fachpresse durchgesickert. Doch ich bin gespannt, wie Thomas das Ganze instrumentiert hat, denn abgesehen davon, dass es nur sehr wenig Noten gibt, weiß man auch nicht, von welchen Instrumenten sie gespielt werden sollten.«
    »Kann man das nicht anhand der damaligen Gebräuche herausfinden?«
    »Ja und nein. Auch bei der Instrumentierung brach Beethoven mit den Konventionen. Er war zum Beispiel der Erste, der Piccoloflöte und Posaunen in einer Symphonie eingesetzt hat. Möglicherweise hat Thomas eine Phrase den Hörnern zugeschrieben, die Beethoven für die Klarinetten gedacht hatte, oder umgekehrt... Warum willst du eigentlich nicht mitkommen?«
    »Ich kann nicht. Marañón, der Gastgeber, wollte seinerzeit unbedingt, dass eine seiner Töchter in einem Bob-van-Asperen-Konzert hier im Konzertsaal eine Bach-Arie singt. Ich habe ihm die Bitte verwehrt und bin seitdem in seinem Haus nicht mehr willkommen.« »Van Asperen! Ein ziemliches Wagnis, eine Debütantin mit einem so großen Cembalisten zusammenbringen zu wollen. Hat Marañón dich wirklich darum gebeten?« »Nicht gebeten, er hat es gefordert. Obwohl - seine Tochter hat mittlerweile beträchtliche Fortschritte gemacht. Vor zwei Jahren, als van Asperen da war, jaulte die Arme noch wie das Mädchen aus Der Exorzist.« »Gut, dass du nicht nachgegeben hast. Für wen hält der sich?«
    »Für den, der er ist: Gott der Allmächtige. Lach du nur. Dank seiner Intrigenspiele hat Marañón immerhin erreicht, dass uns der Institutsetat für die kommenden zwei Jahre eingefroren wurde. Und er tut alles, um mich in der Öffentlichkeit in Verruf zu bringen.« »Aber wie ist diese Einladung in deine Hände geraten?« »Nun, es gibt Mittel und Wege.«
    »Morgen um Punkt acht also. Ich werde da sein. Nein, Moment!«
    »Was ist
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