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Dicke Luft auf Schreckenstein

Dicke Luft auf Schreckenstein

Titel: Dicke Luft auf Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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dumpfen Plumpsen ab.
    „Jetzt“, flüsterte eine Stimme.
    Ein kurzes Rascheln der Hecke am Prinzengarten, und wieder herrschte Stille. Jedoch anders als zuvor. Eine bewegte Stille gewissermaßen, als schleiche jemand durch das Dunkel, ohne einen Luftzug zu verursachen. Plötzlich war das Sägen wieder da. Diesmal schien es von oben zu kommen. Ja, eindeutig von oben.
    Die bewegte Stille wirkte wie ein Sog. Sie wies, gleichsam auf einem Leitstrahl, den Weg zum Durchgang, weiter durch den nachtschwarzen Sternenhof zum Eingang, dessen einer Türflügel jetzt offenstand. Auch drinnen hielt der Sog an, führte zur Treppe, die wegen knarzender Bohlen Ortskenntnis und Vorsicht erforderte, bis oben schwere Steinfliesen die geräuschlose Fortbewegung wieder erleichterten.
    „Verteilen!“ flüsterte eine Stimme, nur in Atemnähe zu verstehen.
    Eine Ewigkeit herrschte absolute Stille. Oder nicht?
    Von irgendwo her kam ein Geräusch, ein leises zwar, aber doch wahrnehmbar. War es nicht wieder dieses Sägen?
    Nur dumpfer jetzt, mehr Baum— als Laubsäge. Da! Plötzlich ein feiner, waagrechter Lichtstrahl. Er kam aus einem Schlüsselloch. Kurz war er weg, als sei jemand vorbeigegangen. Und noch einmal. Drinnen knarzte etwas, dann herrschte wieder Stille. Nicht lange. Ein Husten ließ sich vernehmen, eigentlich mehr ein Hüsteln, dann ein Geräusch an der Tür. Der Lichtstrahl verschwand. Metallisches Klappern ging in Rütteln über, das einen Aufprall auf dem Korridor übertönte.
    „Aua! Paß doch auf!“ flüsterte eine Stimme.
    „Hab dich nicht so, Mann!“ flüsterte eine andere.
    Darauf ein leiser Schreckenslaut, ein Tuscheln und Huschen.
    „Da sind noch andere!“ flüsterte eine weitere Stimme, kaum zu hören unter dem vehementen Rütteln an der Tür, das abrupt abbrach. Und da war plötzlich eine geschulte Stimme.
    „Hilfe! Hilfe! Hilfe!“ schrie sie. Andere Hilferufe klangen ferner, wie zum Fenster hinaus gerichtet.
    Auf dem Korridor wurde wieder gehuscht, dann getuschelt.
    „Die haben die Türklinken mit Latten verkeilt!“ flüsterte eine Stimme.
    „Was machen wir jetzt?“ fragte eine zweite.
    Durch die Hilferufe, die fortdauerten, wurde es auch hinter anderen Schlüssellöchern hell. Die geängstigte Person rüttelte wieder an der Tür.
    „Die muß mal raus!“ flüsterte eine dritte Stimme. „Die haben ja einiges getrunken.“
    „Wenn wir die nicht aufs Klo lassen, sind wir dran!“ flüsterte eine vierte, und eine weitere fällte die Entscheidung.
    „Tun wir die Latten weg!“
    Durch die erleuchteten Schlüssellöcher waren die Klinken im Dunkeln leicht zu finden. Ein Stoß mit dem Fuß genügte, um die verkeilten Hölzer zu entfernen.
    An dem Zimmer, aus dem die Hilferufe gekommen waren, sprang die Tür auf. Schlotternd, mit offenem Haar stand die dunkle Dicke im langen Nachtgewand – oder war’s ein Morgenrock? – im Rahmen. Vor ihr, auf dem Korridor, vom plötzlichen Lichteinfall geblendet, eine gekrümmte Gestalt mit einer Zaunlatte in der Hand.
    „Was ist los?“
    Rechts und links traten Kollegen in ähnlichen Aufmachungen aus ihren Zimmern. Sie hatten nicht an der Tür rütteln müssen, konnten die Klinken sofort drücken.

    Dank der geschulten Stimme waren die Hilferufe auch im Schulteil der Burg gut gehört worden.
    Dampfwalze und Andi rollten wie Feuerwehrmänner im Bereitschaftsdienst sozusagen noch schlafend aus ihren Betten, mechanisch glitten sie in ihre Trainingsanzüge und orteten dabei die Richtung, aus der die Notrufe kamen. Ottokar und Stephan im Südflügel hatten die geschulte Stimme um die Ecke gehört, und Pummel im Nordflügel sogar übers Dach.
    „Was ist denn los, mitten in der Nacht?“ meckerte Klaus. „Verbrennt Mauersäge das Studienquintett?“
    „Hätten wir doch Wachen aufstellen sollen!“ meinte Dieter. „Wer kann das sein?“
    „Wahrscheinlich eine von den beiden Tanten“, mutmaßte Hans-Jürgen.
    Während die Retter hinter dem Durchgang zum Sportplatz nach rechts abbogen und in den Durchgang zum Sternenhof verschwanden, rannte Pummel nach links, den Hang hinunter zum Steg. Als sogenannter Wasserwart für die Boote verantwortlich, sah er hier seine vordringlichste Pflicht. Zu oft schon hatte ein Auflauf irgendwo in der Burg dazu geführt, daß nachher an anderer Stelle etwas fehlte. Zuerst schloß er das Bootshaus auf und leuchtete hinein. Vollzählig lag die Schreckensteiner Flotte vor Anker. Der Steg war trocken; keinerlei Spuren deuteten auf einen Besuch
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