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Dich schlafen sehen

Dich schlafen sehen

Titel: Dich schlafen sehen
Autoren: A Brasme
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damit du endlich verschwindest.«
    »Ich will wissen, ob Sarah mich belügt. Ich bin davon überzeugt, dass sie mir etwas verheimlicht. Ich will, dass du ihr nachspionierst, dass du ihr nachgehst, dass du sie bei allem, was sie tut, beobachtest, bis sie es zugibt. Du musst stärker sein als sie. Sie muss dich anflehen und um Verzeihung bitten. Sobald du dir sicher bist, dass sie dir ganz gehört und du die Oberhand gewonnen hast, sobald du sie dafür bezahlen lässt, was sie uns beiden angetan hat, werde ich gehen.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    An einem Julimorgen wählte ich Sarahs Nummer, wartete unsicher, bis es zwei- oder dreimal geklingelt hatte, und in dem Moment, als der Anrufbeantworter sich einschalten wollte, meldete sich, wie in einem Traum, ihre Stimme, und ich begann zu zittern. Im ersten Moment wollte ich auflegen, aber Sarah hatte mich überrascht.
    »Charlène. Ich weiß, dass du es bist.«
    »...«
    »Charlène?«
    »Hast du meine Briefe bekommen?«
    »Ja. Und deine anonymen Anrufe auch. Deine Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Es waren hunderte. Wenn ich mir vorstelle, dass du die ganzen Ferien über nichts anderes getan hast. Weißt du, dass ich beinahe die Polizei gerufen hätte? Aber dann ist mir klar geworden, dass eigentlich nur du dahinter stecken kannst, und ich habe mir gedacht, dass wir das unter uns regeln.«
    »Du warst nie da... Ich wusste nicht, wo du warst.«
    »Ich war mit Freunden im Süden. Wir haben uns einen kleinen Abenteuertrip gegönnt. Und es war wirklich toll, wenn du es genau wissen willst. Natürlich konnte ich dich nicht mitnehmen, du verstehst. Du dürftest mittlerweile kapiert haben, dass meine Freunde nicht zwangsläufig auch deine sind und dass sie nicht besonders viel von dir halten.«
    »Du hättest mir Bescheid geben können.«
    »Was erwartest du denn? Dass ich dich in die Ferien mitschleppe? Ich habe dir nichts gesagt, weil ich mich nicht verpflichtet fühlen wollte, dich einzuladen. Ich weiß genau, wie es geendet hätte: Du hättest mich die ganze Zeit von weitem beobachtet, hättest Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mich und meinen Freund oder mich und meine Freunde auseinander zu bringen, kurz, um mir die Ferien zu verderben. Ich kenne dich besser als jeder andere, deine krankhafte Eifersucht, deine Paranoia, deine ganzen Macken. Es kam natürlich überhaupt nicht in Frage, dass ich das alles noch mal mitmache, das habe ich lange genug ertragen.«
    »Du hast nichts von dir hören lassen. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Na schön, Charlie. Hören wir auf, um den heißen Brei herumzureden. Ich habe es satt. Jetzt hör mir mal genau zu. Begreif endlich, dass wir schon lange keine Freunde mehr sind. Aber offensichtlich geht das nicht in deinen Schädel, deshalb muss ich deutlicher werden. Du bedeutest mir nichts. Du hast mir nichts gegeben. Wir haben ein paar verrückte Sachen angestellt, als ich zwölf oder dreizehn war, das ist alles, Kindereien, mehr nicht. Alles andere war nichts, ist ohne jede Bedeutung. Du, dein Leben, was du denkst, das alles ist mir scheißegal. Ich werde dich ganz schnell vergessen, mach dir um mich keine Sorgen. Wenn du damit Probleme hast, dein Pech, mir ist das egal.«
    »Dazu hast du kein Recht. So etwas darfst du nicht sagen, nach... nach allem, was ich für dich getan habe.«
    »Also bitte. Komm mir nicht mit den alten Sprüchen, das ist zu billig. Das zieht nicht mehr. Die Zeiten sind vorbei, in denen du mich mit Selbstmordversuchen und ähnlichem Schwachsinn weich geklopft hast.«
    »...«
    »Was ist? Fällt dir jetzt nichts mehr ein?«
    »Es tut mir Leid.«
    »Ich wusste, dass du das sagen würdest. Seit Jahren sagst du mir ständig, dass es dir Leid tut. Davon wird mir langsam nur noch übel. Meine Güte, sieh dich doch an, Charlène. Seit vier Jahren ertrage ich deinen unmöglichen Charakter, deine kindischen Psychodramen, deine unberechenbaren Stimmungen. Mir reicht's, kapiert? Ich bin jetzt erwachsen. Ich habe alles getan, um dir zu helfen, aber es hat nichts genutzt. Du bist einfach zu beschränkt.«
    »Sarah!«
    »In sechs Monaten kehre ich in die Vereinigten Staaten zurück. Man hat mir ein Stipendium angeboten, so eine Chance bekommt nicht jeder. Ich verschwinde für immer. Meine Mutter kommt mit, mein Freund auch, und sogar mein Vater will den Kontakt erneuern. Und glaub ja nicht, dass du mich zum Bleiben überreden kannst. Ich gehe, weil ich leben will, weil ich mit den Menschen zusammenleben will,
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