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Dich schlafen sehen

Dich schlafen sehen

Titel: Dich schlafen sehen
Autoren: A Brasme
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gingen wir durch die Nacht und die leeren Straßen zu ihm. Er hielt mir die Tür auf, und ich zögerte einen Augenblick. Schließlich folgte ich ihm, seine Hand in meiner, hinauf in sein Zimmer.
    Im Zimmer war es seltsam still. Draußen hatte wieder leichter Regen eingesetzt. Es war so dunkel, dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, obwohl es meinem ganz nah war. Ich schmiegte mich an ihn und atmete den Geruch des Regens und seines schwitzenden Körpers ein, der stumm nach mir verlangte.
    Ich ließ ihn gewähren, sanft, ohne einen Laut, gezähmt von seinen ungeschickten Bewegungen, seinen zitternden Händen, denen ich mich nach und nach überließ. Als ich spürte, dass der Augenblick gekommen war, gab ich mich bereitwillig hin und schloss die Augen, um nicht mehr nachdenken zu müssen. »Hab keine Angst. Ich liebe dich.«
    Sein zärtliches »Ich liebe dich« beruhigte mein Zittern und verlor sich in meinem Kopf, und gleichzeitig spürte ich, wie der Schmerz in mich eindrang, dann langsam wieder nachließ. Während unsere Körper verschmolzen, war ich ganz still und hörte sein Herz so heftig schlagen, als könnte er das meine wieder beleben.
    Nachdem wir uns geliebt hatten, machte er Licht und nahm sich eine Zigarette. Ich lag auf der anderen Seite des Bettes, ohne ihn auch nur leicht zu berühren, und kehrte ihm den Rücken zu. Wir sprachen nicht. Dann drückte er sich an mich und fragte, ob ich ihn liebte. Seine Haut war sehr warm. Ich spürte seinen Atem auf meiner und erzitterte.
    Er begann zu sprechen. Ich hörte nicht mehr zu. Vor banger Sorge krampfte sich mir der Magen zusammen.
    »Ich muss dir etwas sagen, Maxime.«
    Ich drehte mich zu ihm um, der Glanz seiner Augen blendete mich. Ich flüsterte: »Manchmal kommt es vor, dass ich die Menschen töte, die ich liebe.«
    Ich lachte lauf auf und dachte, er würde mitlachen. Doch er blieb still. Nie zuvor hatte mir sein Blick so viel Angst gemacht.

Das Spiel verlieren
    Fünf Monate lang habe ich an das Glück geglaubt. Ich habe fest daran geglaubt, voller Zuversicht, ohne jeden Vorbehalt. Ich hatte Geschmack daran gefunden und wollte nicht wahrhaben, dass ich dieses Glück früher oder später verlieren würde. Doch es war nicht er, der gegangen ist. Ich selbst bin schließlich davongelaufen. Während dieser ganzen Zeit, in der Maxime und ich uns liebten, dachte ich, dass die Sache mit Sarah ausgestanden sei. Es war mir gelungen, meine Liebe auf einen anderen Menschen zu übertragen. Auf jemanden, der sie erwiderte und mich wieder gelehrt hatte zu leben. In Wahrheit war überhaupt nichts ausgestanden. Irgendwann musste die Obsession wieder an die Oberfläche kommen. Ein so intensiver, so hartnäckiger Schmerz, ein solcher Wahn löst sich nicht einfach in nichts auf.
    Auch Sarah hatte mich nicht aus ihrem Leben gestrichen. Und sie passte den günstigsten Augenblick ab, um Maxime das wegzunehmen, was ihm gehörte: mich.
    An einem Freitag im Mai sprach sie mich nach der Schule an. Ich hatte fast vergessen, wie ihre Stimme klang.
    »Salut, Charlie. Na, wie geht's denn so?«
    Ich hob den Kopf und sah sie ungläubig an. Sie lief dicht neben mir her und musste schnelle Schritte machen, damit ich sie nicht abhängte. Sie sah mich an, als hätte zur Abwechslung mal sie ein schlechtes Gewissen. Es war das erste Mal, dass ich sie meinetwegen verlegen sah. Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
    Sie fragte mich, was ich während der ganzen Zeit gemacht hätte. »Wir haben uns ziemlich aus den Augen verloren, seit du mit Maxime gehst. Nichts ist mehr so wie früher.« Aber sie freue sich für mich, sagte sie. »Du bist richtig aufgeblüht, er ist ein feiner Kerl. Du hast ihn verdient, Charlie, wirklich.«
    »Bei mir persönlich«, fuhr sie fort, »läuft es im Moment nicht so gut. Wie du vielleicht weißt, ist meine Großmutter im Januar gestorben. Seitdem geht es uns finanziell nicht besonders, wir waren sehr von ihr abhängig. Und dann hast du sicher mitgekriegt, dass man mich in der Klasse seit einiger Zeit schneidet. Gerüchte, möchte ich mal sagen. Du weißt, was ich alles an Tiefschlägen und Gemeinheiten einstecken musste. Es tut weh, wenn man so in Verruf gebracht wird.«
    »Das verstehe ich, Sarah.«
    Sie sprach weiter und sagte, dass sie oft an uns, an unsere Freundschaft gedacht habe. Wie Leid es ihr tue, dass alles so gekommen sei. Und dass sie sich mir gern wieder anvertrauen würde, wie früher: »Mittlerweile ist mir klar, dass es nie einfach zwischen uns
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