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Dhampir

Dhampir

Titel: Dhampir
Autoren: B Hendee
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vielleicht hinderte es ihn daran, die Dinge so klar und deutlich zu sehen wie damals bei seinen Artgenossen.
    Wynns Gestalt zeichnete sich deutlicher ab, als sie näher kam, mit einer behandschuhten Hand an Taffs Schulter. Die Kapuze des Mantels war am Gesicht zusammengezogen, und die über den Mantel gebundene Wolldecke trug eine Kruste aus vereistem Schnee. Eine lose Ecke von Taffs Gepäckplane flatterte im Wind.
    Die kleine Weise taumelte und brach zusammen.
    Ihre Knie sanken in den Schnee, doch der linke Arm ruckte nach oben, als wäre die Hand an Taffs Schulter festgefroren. Eine ums Handgelenk geschlungene Schnur verschwand unter der Plane am Hals des Pferdes, und nur sie verhinderte, dass Wynn ganz im Schnee versank. Dort hing sie, und ihre Beine strichen durch den Schnee, bis Taff wegen der zusätzlichen Last verharrte.
    Chap kehrte mit einigen langen Sätzen zurück und schob die Schnauze in ihre Kapuzenöffnung. Er beleckte das Gesicht, doch die junge Weise rührte sich nicht.
    Dunkle Ringe lagen unter ihren großen braunen Augen, und die Farbe war aus dem Gesicht gewichen. Der Proviant war knapp, und seit einem Viertelmond mussten sie sich mit halben Rationen begnügen. Wynns spröde Lippen zitterten, als sie zu sprechen versuchte, doch der heulende Wind trug ihre leisen, schwachen Worte fort.
    Chap drückte den Kopf an Wynns Brust und schob die kleine Weise nach oben. Wynn versuchte, auf die Beine zu kommen, taumelte erneut und kippte zur Seite, gegen Taffs Schulter. Chap kroch unter ihre Hüfte und wollte erneut schieben, als eine Stimme erklang.
    »Steh auf«, brachte Magiere hervor. »Auf s … Pferd mit dir.«
    Sie stand neben Taff, mit Teufelchens Zügeln in der Hand. Ihr Mantel war geschlossen. Auch ihr Erscheinungsbild kam einem Hinweis auf Chaps Versagen gleich.
    Schnee haftete an den schwarzen Locken, die unter Magieres Kapuze hervorlugten. Eine Strähne ragte über ihr bleiches Gesicht, doch selbst ihr warmer Atem konnte das Eis daran nicht tauen. Die Augen waren fast ganz schwarz geworden.
    Sonst deutete nichts auf ihr Dhampir-Wesen hin. Ihre Eckzähne waren nicht lang und spitz geworden, und ihr Gesicht hatte sich nicht in eine Fratze des Zorns verwandelt. Nur die Augen machten deutlich, dass sich ihre dunkle Seite halb manifestiert hatte.
    Chap beobachtete jeden Morgen, wie sie sich veränderte, um für den Tag stark genug zu sein und über Leesil und Wynn wachen zu können. Abends, wenn sie wieder ganz Mensch wurde, war sie dem Zusammenbruch nahe. Windbrand zeichnete ihr Gesicht, und Chap empfand es als beunruhigend, Flecken auf ihren weißen Wangen zu sehen.
    Magiere ließ Teufelchens Zügel los, stapfte zu Wynn und packte sie am Mantel. Doch die junge Weise schlug ihre Hände mit dem freien Arm beiseite.
    »Nein, e s … wäre zu viel!«, krächzte sie. »Taff muss schon mehr als genug tragen.«
    Magiere zog die kleinere Frau hoch und schirmte sie vor dem Wind ab. Hinter Taff stapfte eine weitere Gestalt über den steilen Hang.
    Leesil trat um das Pferd herum. Seine wadenhohen Stiefel waren oben eisverkrustet, und bei jedem Schritt geriet der Schnee am Hang in Bewegung und rutschte in die Tiefe. Einzelne Strähnen des langen weißblonden Haars wehten über Leesils Gesicht und klebten an den rissigen Lippen fest. Er sah in die nahe Schlucht, richtete dann einen zornigen Blick auf Chap.
    Entschlossenheit trieb Leesil in den seltsamsten Momenten an. Doch seit er die Totenköpfe seines Vaters und seiner Großmutter als Trophäen ausgestellt in Darmouths Gruft gefunden hatte, war etwas anderes daraus geworden.
    Chap hatte den Tod des Kriegsherrn in Magieres Erinnerungen gesehen und in Leesils Geist gespürt, wie sich die Klinge in den Hals des Tyrannen gebohrt hatte, bis zum Rückgrat. Von jenem Moment an war aus Leesils Entschlossenheit blinde Besessenheit jenseits aller Vernunft geworden. Magieres Vorschläge, umzukehren und das Ende des Winters abzuwarten, stießen bei ihm auf vehemente Ablehnung. Er mochte so erschöpft sein wie seine Gefährten, doch der Fanatismus trieb ihn weiter, und sie mit ihm.
    Irgendwo in Teufelchens Gepäck ruhten die Totenköpfe in einer Truhe, wo sie bleiben sollten, bis Leesil Gelegenheit bekam, sie seiner Mutter zu übergeben. Cuirin’nên’a, beziehungsweise Nein’a, lebte und war Gefangene ihres eigenen Volkes.
    »Genug!«, rief Leesil Chap zu. Im Sturm schien seine Stimme aus weiter Ferne zu kommen. »Such einen Unterschlupf für uns. Irgendeinen Ort, wo
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