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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren
Autoren: Samuel R Delany
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Brille.
    Glas und Ziegel schleuderten über die Straße.
    Sie schrien - ich konnte es trotz der Explosion hören, denn einige standen um mich herum - und rannten auf die nächste Mauer zu, nahmen mich mit, und ich stieß mit den ersten Leuten zusammen, die Leute stießen mich von hinten, daß mir die Luft wegblieb. Sie schrien; jemand griff mir über die Schulter, um sich zu stützen, direkt am Ohr, und riß es beinahe ab. Weitere Leute stießen die Leute hinter mir heftig.
    Hustend und um mich schlagend drehte ich mich um, um die hinter mir zurückzustoßen. Auf der anderen Straßenseite glitzerten mosaikartig schäbige Träger, mit abgebröckeltem Putz und Ziegeln. Ich stolperte von der Wand weg auf die schwankende Menge zu und landete auf einer großen Frau auf Händen und Knien, die den Kopf schüttelte. Ich versuchte, sie hochzuziehen, aber sie fiel wieder auf die Knie zurück.
    Ich merkte, was sie zu tun versuchte: Sie wollte einen Stapel mittelgroße Tomaten-und Ananassaftdosen und verknickte Plätzchenpackungen zurück in die umgestülpte Einkaufstasche stecken. Ihr schwarzer Mantel breitete sich über den Ziegelstücken aus.
    Eine Dose rollte gegen meinen Fuß; sie war leer.
    Sie begann, sich noch flacher hinzulegen, eine Wange auf das Pflaster, und griff nach den rollenden Konserven. Ich bückte mich noch einmal zu ihr, um sie hochzuheben. Dann zerrte jemand von der anderen Seite und rief: »Come on!« (cum ohn\ mit geschleppten Vokalen, lang und kurz, das m so weich wie ein n; das n so locker wie ein r). Ich blickte hoch, ohne sie loszulassen.
    Es war George.
    Sie kam zwischen uns beiden hoch und schrie: »Ahhhhhhhhh - Annnnnnnn! Faß mich nicht an! Ahhhhhh - faß mich
    nich' an, Nigger!« Sie stolperte und wand sich unter unserem Griff. Ich konnte nicht sehen, ob sie einen von uns ansah. »Ahhh - ich hab' gesehen, was du gemacht hast! -, das arme weiße Ding, das sich gegen dich nicht wehren konnte! Wir haben es gesehen! Wir alle haben es gesehen. Sie sucht dich überall, fragt jeden, wo du bist und jetzt nimmst du sie, nimmst du sie genauso, genauso wie vorher! Und sieh zu, was passiert! Du wirst es sehen! Oh, Gott, oh hilf mir, faß mich nicht an! oh, Gott!«
    »Ach, komm schon!« rief George noch einmal, als sie wieder zusammenzubrechen drohte. Er zog an ihr; sie löste sich aus meinem Griff. Meine Hände brannten vom Mantelstoff. Als ich mich wegstahl, schrie sie immer noch:
    »Die Weißen werden dich kriegen, Nigger! Die Weißen werden uns alle umbringen, wegen dem, was du mit dem armen weißen Ding gemacht hast! Du hast die Scheiben eingeschlagen, alle Laternen eingeworfen, bist da hochgeklettert und hast die Uhrzeiger abgebrochen! Du hast vergewaltigt und geplündert und alles. Oh, Gott, es wird ein Schießen und Brennen und Blut überall geben! Sie werden alles in Jackson niederknallen! Oh, Gott, oh Gott, faß mich nicht an!«
    »Steh verdammt noch mal auf, Frau, und sammle deinen Müll zusammen«, sagte George.
    Als ich mich Sekunden später umblickte, tat sie es.
    George hockte zehn Schritte weiter weg und stemmte eine Steinplatte hoch, von der an beiden Seiten Putz herabrieselte, während eine andere Frau an einer Gestalt zerrte, die sich darunter wand. Von irgendwo fiel eine Handvoll Schutt auf meine Schulter, und ich sprang nach vorn weg.
    Vor mir drehte sich in den versilberten Schuttmassen Reverend Amy im Kreis herum. Sie sah mit zusammengekniffenen Augen hoch, die Fäuste in Ohrhöhe, bis sie die Finger weit gespreizt hielt. Das hochgereckte Gesicht war zerfurcht und schien mir zuerst wütend, aber sie schleuderte den Kopf herum, und ich sah, daß der Ausdruck, der sich durch ihre Züge kämpfte, fast Ekstase war.
    Ich kletterte über einen Haufen Ziegelsteine. Die Orchidee rollte und tanzte über meinen Bauch.
    Auf dem Randstein neben dem Hydranten saß der Taubblinde. Der blonde Mexikaner und die ziegelhaarige Negroide hockten zu beiden Seiten. Sie hielt seine Hand, drückte ihre Faust mit immer wieder anders gehaltenen Fingern gegen seine Handfläche.
    Ich griff nach den Ketten, fand die Projektorkugel und klickte am unteren Schalter.
    Als ich auf den Gehsteig trat, schwebte eine blaue Lichtscheibe über den aufgeworfenen Randstein.
    Sie sahen hoch, zwei mit Augen wie scharlachrote Blutblasen.
    Die Augenhöhlen des Stummen (sein Kopf fuhr ruckartig herum) waren wie leere Tassen, über denen Schatten liegt.
    Plötzlich brannte meine Kehle vom Rauch; Schwaden trieben vorbei. Ich rief:
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