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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus
Autoren: Osman Engin
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lernen, und wie dankst du es ihm?«
    »Eminanim, lass es mich doch bitte auskosten. Wann hab ich denn schon die Möglichkeit, sprachlich besser zu sein als die Deutschen? Wenn man jetzt mal die Bayern, Sachsen, Ostfriesen, Schwaben und Russlanddeutschen außer Acht lässt.«
    »Ben Bayer, ben Bayer«, ›ich Bayer, ich Bayer‹ freut sichPhilipp wie ein Kind, dass er ein bekanntes Wort aufgeschnappt hat.
    »Beckenbauer und Schweinsteiger auch Bayer«, freue ich mich mit ihm zusammen.
    »Völlig blöde sind die auch nicht, die kennen sogar Beckenbauer und Schweini«, stellt Philipp überrascht fest.
    »Mir wäre es lieber, wenn sie ein Hotel kennen würden«, meckert Ilona undankbar.
    »Philipp, ich hab Sie schon verstanden. Sie beide suchen doch ein Hotel, nicht wahr?«, mischt sich Eminanim ein.
    »Ilona, Ilona, die Frau hat mich endlich verstanden. Sie fragt, ob wir beide ein Hotel suchen würden. Na, wie hab ich das gemacht?«
    »Das hab ich auch verstanden, du Idiot, die Frau hat doch Deutsch gesprochen«, schimpft Ilona mit ihrem Philipp böse.
    »Dir kann man ja auch nichts recht machen!«, stammelt Philipp völlig verwirrt mit großen Augen und sagt dann zu uns: »Wenn ihr Deutsch könnt, warum habt ihr die ganze Zeit nicht mit uns gesprochen?«
    »Weil ihr mit uns ja auch nicht Deutsch gesprochen habt«, sage ich. »Türkisch habt ihr aber auch nicht gesprochen!«
    »Osman, nach den beiden fettigen Böreks von heute Mittag habe ich ohnehin keinen Hunger und außerdem habe ich erneut höllische Rückenschmerzen. Geh du alleine essen«, meint meine Frau plötzlich, lässt meinen Arm los und hakt sich bei den beiden obdachlosen Sprachgenies aus Bottrop ein. »Ihr sucht doch für heute Nacht eine günstige Bleibe, nicht wahr? Ihr könnt unsere Matratze haben und bei uns im Flur schlafen!«
    »Und ich … wo schlafe ich?«, stottere ich.
    »Mein Mann wünscht euch eine gute Nacht«, übersetztsie und fügt hinzu: »Er möchte als guter Gastgeber lieber auf dem Lattenrost schlafen!«

8 Am nächsten Morgen hüpft Eminanim wie ein Reh quicklebendig aus dem Bett – ich bleibe steif wie eine Mumie liegen. Auf knochenharten Holzbrettern zu schlafen hat aus meiner Frau offensichtlich ein junges Mädchen und aus mir einen Invaliden gemacht. Ich bin für solch abartige Perversionen einfach nicht geschaffen! Jeder indische Fakir hätte seine helle Freude an diesen Latten gehabt, es gucken aus jedem Holzbrett gleich mehrere Nägel raus. Notgedrungen war ich die ganze Nacht hellwach, um mir durch diese rostigen Nägel keinen Tetanus einzufangen, während Philipp im Flur friedlich vor sich hin schnarchte. Ich bin zwar gegen Wundstarrkrampf geimpft, aber das ist schon viereinhalb Jahre her. Wer weiß, ob so eine mickrige Spritze wirklich zehn Jahre lang Schutz bietet, wie von den Ärzten großspurig versprochen wird.
    Nach dem Frühstück packen wir unsere Koffer und schleppen sie zum Busbahnhof, was kein wahres Vergnügen ist.
    Kurze Zeit später sitzen wir in dem voll klimatisierten Überlandbus, der uns zu Onkel Ömer zurückbringen soll, falls der Fahrer während der Reise nicht an seinem Lenkrad festgekrallt jämmerlich erfriert. Draußen hat es 45 Grad – drinnen gefühlt minus 45! Dass die Türken auch immer und überall übertreiben müssen!
    Aus dem Radio höre ich, dass die Wahlen in Deutschland die ganze Welt in Sorge versetzt hätten.
    Mein kommunistischer Sohn Mehmet kennt bestimmtdie Ergebnisse aller Parteien bis hinter das Komma. Er hat mir hoch und heilig versprochen, jeden Tag pünktlich um 8  Uhr nach Hause zu kommen und mit uns zu Abend zu essen, wenn ich per Briefwahl die Linken wählen würde. Er kaufte unserer Nachbarin von der zweiten Etage, Oma Fischkopf, auch ihre Stimme ab, dafür musste Mehmet ihr versichern, zwei Monate lang ihre Einkäufe nach Hause zu schleppen. Bei unserem Nachbarn Herrn Prizibilsky vom Erdgeschoss kam meine feministische Tochter Nermin Mehmet zuvor und hat dem alten Opa versprochen, für die nächsten zwölf Monate die Grabpflege für seine verstorbene Frau Berta auf dem Nordfriedhof zu übernehmen, wenn er die Grünen wählt.
    Da soll noch einer sagen, die Ausländer hätten kein Wahlrecht in Deutschland! Sogar doppelt und dreifach!
    »Mehmet, sag doch mal, wie sind denn die Wahlen in Deutschland ausgegangen?«, brülle ich wegen der vielen lauten Händygespräche um mich herum in mein Händy, obwohl es verboten ist, während der Fahrt zu telefonieren. Wenn man möchte, dass
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