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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus
Autoren: Osman Engin
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Deutschland blond? Hängen Blondsein und IQ etwa doch irgendwie zusammen, wie in zahlreichen kleinen Anekdoten immer wieder so amüsant behauptet wird?
    »Na, hören Sie mal, ich … ich … – was fällt Ihnen ein?«, stammelt der Mann völlig verwirrt. Und ihm tut es mittlerweile sicherlich leid, dass er uns blöderweise ziemlich voreilig nach New York eingeladen hat und nicht nach Mölln, Solingen oder Hoyerswerda.
    »Toll«, denke ich und bin sehr froh darüber, dassEminanims Zorn diesmal nicht mich erwischt hat. Aber bevor ich mich so richtig freuen kann, bin ich schon wieder fällig.
    »Osman, du erstickst ja gleich, du bist knallrot im Gesicht«, schimpft sie. »Atme endlich wieder normal und lass deinen bescheuerten Bauch los! Hier am Bremer Flughafen gibt es doch keinen Nacktskenner, verdammt! So teure Geräte kann sich das arme Bremen gar nicht leisten!«
    »Wie bitte? Warum sagt mir denn niemand, dass wir diese idiotischen Dinger hier gar nicht haben?«, röchele ich und schnappe hastig nach Luft.
    »Sag ich doch die ganze Zeit! In Bremen können wir uns zwar keine idiotischen Nacktskenner leisten, aber dafür rudelweise andere Idioten …«

2 Nun ist es so, dass ich mir bei Flugreisen um alles Sorgen mache, was uns zum Absturz bringen kann: Vogelschlag, Benzinmangel, besoffene Piloten, Turbulenzen, Triebwerkschaden … und seit dem 11. September 2001 … um Terroristen! Früher hatte ich nur die bösen Wolken und die hinterhältigen Triebwerke im Auge, jetzt die bösen und hinterhältigen Terroristen. Ich muss zugeben, für mich sind aus Prinzip alle Schwarzhaarigen erst mal Terroristen  – mindestens so lange, bis wir wieder landen. (Das ist eine der Negativfolgen der zu guten Integration!) Schon im Aufenthaltsraum beobachte ich mit meinen Radaraugen die Passagiere und filtere alle südländisch aussehenden heraus. Und fange sofort gemeinsam mit allen anderen deutschen Passagieren an zu beten, dass diese Terroristen nicht in unser Flugzeug einsteigen und falls doch: es nicht in die Luft jagen!
    Was aber in seltensten Fällen geholfen hat. Durch Beten habe ich bisher ganz wenige Menschen in andere Flugzeuge dirigieren können.
    Danach im Flugzeug lasse ich die Verdächtigen keine einzige Sekunde mehr aus den Augen!
    Wenn sie aufs Klo gehen, stehe ich davor sofort Wache! Und bei der erstbesten Gelegenheit setze ich mich zu ihnen – nicht aufs Klo natürlich, sondern an ihrem Platz. So habe ich einen besseren Überblick, wann und wie sie unser Flugzeug entführen wollen, und kann effektiver dagegen vorgehen.
    Nach ein paar Minuten werden wir aber jedes Mal dicke Freunde. Dann erzählen mir meine terroristischen Freunde mit Tränen in den Augen, dass sie ihr kleines Heimatdorf sehr vermissen, aber nach 29 Jahren in Deutschland nicht mehr zurückkehren können, weil die ganzen Enkelkinder hier zur Schule gehen oder längst verheiratet sind. Ich lasse aber trotzdem nicht locker und frage mindestens dreimal ganz schön hartnäckig nach, ob sie das Flugzeug unter Umständen vielleicht doch in die Luft jagen wollen. Die schwören, dass sie das nicht vorhaben, und bei heftigen Turbulenzen halten sie liebevoll und fürsorglich meine stark schwitzende Hand.
    Nach der Landung tauschen wir dann Adressen aus und versprechen uns, den anderen auf jeden Fall zu besuchen.
    In all den Jahren bin ich nur ein einziges Mal einem echten Terroristen begegnet und hab zum Glück trotzdem überlebt. Er antwortete auf meine Frage, ob er denn gedenke, das Flugzeug in die Luft zu jagen, mit finsterer Miene:
    »Schaun mer mal!« Genau wie Franz Beckenbauer.
    Aber ehrlich gesagt, von bio-deutschen Terroristen werde ich im Urlaub ungleich mehr schikaniert! Zum Beispielvon meinem Arbeitskollegen Hans, dem Staplerfahrer von Halle 4. Der macht sich andauernd über mich lustig, dass ich ja mein Leben lang wie ein Pawlow’scher Hund immer nur in Richtung Türkei fahren würde.
    »Osman, gibt’s da etwa was umsonst?«, lachte er mich vorgestern wie jedes Jahr um die gleiche Zeit aus.
    »Genau! In der Türkei gibt es für mich bei meinen Verwandten freie Unterkunft und Verpflegung!«, bestätigte ich.
    »Osman, du wirst sterben, ohne was von der Welt gesehen zu haben! Fahr doch mal nach Rom, nach Paris, nach London, nach New York oder nach Japan«, tat er fachmännisch, als würde er mit seinem Gabelstapler jedes Jahr eine Weltreise starten.
    »Hans, du fährst ja Jahr für Jahr auch nur nach Mallorca oder nach Delmenhorst zu deinen
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