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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Autoren: Luise Buechner
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neue Conspirationen und Pläne zu lassen, die nur zu bald Europa auf's Neue erschüttern sollten.
    Deutschland aber hatte damit die Aufgabe seiner Befreiung von der Fremdherrschaft gelöst; wieder stand es auf eignen Füßen, nun galt es darum, sich auch innerlich frei zu machen, die geschlagenen Wunden zu heilen und neue Bahnen des Fortschritts aufzusuchen. –
     
Zweite Vorlesung
     
    Der Wiener Congreß. Rückkehr Napoleon's. Die hundert Tage. Waterloo
     
    Der Befreiungskampf war beendigt, Napoleon gestürzt und persönlich beseitigt, zwar, wie wir gehört, mit wenig staatsmännischer Klugheit und Voraussicht, immerhin – das Feld war rein und man konnte und mußte daran denken, in Deutschland wie in Frankreich, auf einem von zwanzigjährigen Kriegen und Schlachten ausgesogenen und zertretenen Boden,
neue Bedingungen des Lebens und der Fortentwicklung hervorzurufen
. Man mußte suchen,
Organisches
zu schaffen, welches weiter wachsen und gedeihen konnte, aber dies hatte zu geschehen in einem Augenblick, da die Ideen, welche die französische Revolution in die Welt geworfen, noch im heftigsten Kampfe mit der veralteten und erschütterten, aber noch fest bestehenden Tradition des 18. Jahrhunderts, lagen. Aufgehalten und vertagt waren diese Kämpfe worden durch die Erscheinung Napoleon's, aber wie der Samen gewisser Pflanzen sich an die Sohle des Auswanderers heftet, und an weit entfernten Stätten, wo man sie früher nicht gekannt, aufsprießt, so hatten Napoleon's siegreiche Heere den Samen der Revolutionsideen über ganz Europa getragen und nur der äußersten Gewalt konnte es gelingen, diese wieder auszurotten, das Alte, wenn auch nur theilweise, neu herzustellen, unterstützt durch die natürliche Ermattung, die auch über die Völker gekommen war. Zunächst tritt uns nun dieser Umwandlungs-Prozeß in Frankreich entgegen. – Als die Verbündeten dessen Gränzen überschritten, geschah es ohne klare und bindende Uebereinkunft zwischen ihnen, was nach Napoleon's Entfernung mit dem Lande werden sollte. »Wir führen Krieg gegen Napoleon, nicht gegen Frankreich«, war die unselige und für Deutschland bei dem Friedensschlusse so verderbliche Politik, die sich bei
Kaiser Alexander
, der ja die Haupttriebfeder von Napoleon's Entfernung war, geltend machte. – Als ob nicht Frankreich Napoleon's Siegen und Triumphen zugejauchzt, als ob es nicht bis zuletzt, und bis zur äußersten Erschöpfung, unter sklavische Furcht gebeugt, aber immer wieder durch das Trugbild der französischen »gloire« geblendet, ihm die Mittel für seine Schlachten und Kriege geliefert hätte. –
    Wie sehr also Frankreich geschont wurde, werden wir gleich bei dem Abschlusse des Pariser Friedens sehen; im Uebrigen gab
Paris
jetzt den Ausschlag für das Verhalten des ganzen Landes, bezüglich der Persönlichkeiten, die das Erbe des Kaiserreichs antreten sollten. Die Würfel fielen zu Gunsten der
Bourbonen
, der Brüder und des Neffen des hingerichteten Königs Ludwig XVI. Man kann nicht sagen, daß die Verbündeten unter dem Schutze ihrer Waffen Frankreich die alte Dynastie geradezu aufgedrängt hätten; dieselben wußten nur die Umstände schlau für sich zu benutzen. – Zuerst war beabsichtigt, eine Regentschaft der Kaiserin für den kleinen Sohn Napoleon's, und Enkel des Kaisers von Oestreich, den König von Rom, einzusetzen, nur mußte man schnell einsehen, wie schwankend solche Regentschaftsregierungen sind, und Rußland hatte überdem seinen besonderen Throncandidaten in der Person Bernadotte's, des schwedischen Kronprinzen, der nicht umsonst die feindlichen Berührungen mit seinen
Landsleuten so sehr gescheut
hatte –, denn seinem Ehrgeize däuchte die Kaiserkrone ganz eben so erreichbar, wie sie es Napoleon gewesen war. Aber bald wurde seiner kaum noch gedacht, denn als es zu ernstlichen Verhandlungen über die Thronfolge kam und dabei auch Bernadotte genannt wurde, meinte
Talleyrand
mit Recht, wenn man einen Soldaten zum Regenten wolle, so werde man den
Größeren
vorziehen. – Mit Talleyrand habe ich nun die Persönlichkeit genannt, welche jetzt die Karten mischte, und die sich vollkommen als der Mann der Situation herausstellte, mit dem schlauen, verschlagenen Wesen, das ihn charakterisirte und das schon seit den Tagen der großen Revolution, mit jeder Welle zu treiben, mit jedem Winde zu segeln wußte. So hatte der jugendliche Bischof von Antun einst die Messe am 14. Juli 1791 celebrirt, bei dem großen Constitutions- und
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