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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Autoren: Luise Buechner
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reichten sich die beiden Heere vor Paris die Hand, welches damals, wie bekannt,
noch
nicht befestigt war.
    Nun war endlich
Gneisenau's heißer Wunsch
, sein wohldurchdachter
Plan
erfüllt, und seine Worte bewahrheiteten sich: »Mit Paris hat man die Meinung von ganz Frankreich gefesselt; mit dessen Unterwerfung ist das ganze moralische und physische Vertheidigungssystem des Landes gelähmt!«
    Als Napoleon sich jetzt auch eilends nach seiner Hauptstadt hinwendete, kam der Rasche dieses mal zu spät; schon von Weitem leuchteten ihm die Wachtfeuer der Verbündeten entgegen, die im Nordwesten Paris umlagerten, und er zog sich eiligst nach Fontainebleau zurück, während der König von Rom und die Kaiserin Maria Luise nach Tours gebracht wurden. – –
    Am 30. März wurde dann die Schlacht bei Paris geschlagen, welche die Stadt in die Hände der Sieger lieferte, und wobei der Hauptkampf sich um den Montmartre und das Gehölz von Vincennes bewegte. – Zwar standen dort die Arbeiter des Faubourg St. Antoine kampfbereit, aber die Pariser Bourgeoisie zitterte für ihre Häuser im Fall eines Straßenkampfes, und so wurde in Eile capitulirt und die Stadt übergeben Durch die Rue St. Antoine zogen die deutschen Kämpfer ein, in die Kapitale, von der so viel Unheil über Deutschland ausgegangen – es war ein
großer, ein heiliger Moment
– ein Augenblick, wo die erhabnen Gefühle der Menschheit rein und unverkümmert die Herrschaft ergreifen, und auch den Kleinlichsten und Engherzigsten davon überzeugen, daß eine höhere Sittlichkeit die Welt regiert. »Was Patrioten träumten und Egoisten belächelten, ist geschehen,« so schrieb Gneisenau in der Freude seines Herzens in die Heimath, und
Häusser
, der klassische Historiker jener Epoche sagt: »Es war ein Augenblick, wie sie sich im Laufe von Jahrhunderten
nicht
wiederholen!« Und doch sollten wir es erleben, wie ein solcher Moment noch im selben Jahrhundert, unendlich glänzender und erhebender zurückkehrte! –
    Am 31. März hielten Kaiser Alexander und Friedrich Wilhelm ihren feierlichen Einzug in die Stadt; auf dem Place de la Concorde, in den Champs élysées paradirten vor ihnen die Garden in vollem Glanze. Kleist und York aber, die mit ihren Truppen das Ungeheuerste geleistet, sie mußten um die Stadt herum ziehen: »Sehen schlecht aus, schmutzige Leute,« so äußerte sich Preußens König über seine Tapferen, mit denen freilich nach so schweren Kämpfen kein Staat mehr zu machen war. –
    Während nun die wankelmüthigen Pariser die Verbündeten jubelnd empfingen, und die Emigrantenparthei, die französischen Lilien mit Ostentation zur Schau tragend, sich in unanständiger Hast deren Triumphzug anhing, weilte Napoleon in Fontainebleau, seine letzte Hoffnung auf die 50,000 Mann setzend, welche Marmont noch befehligte, dabei von Stunde zu Stunde neue Hoffnungs- und Rettungspläne schmiedend.
    Aber er sollte den Kelch, den er selbst sich zubereitet, bis zur Neige leeren, sollte nun an sich selbst erfahren was es heißt, Treubruch üben und den Freund verrathen. Alles fiel von ihm ab und wendete sich den neuen Sternen zu, während Marmont, der Herzog von Ragusa schon lange mit dem Feinde unterhandelt hatte. Ein Regiment nach dem Andern zog von Fontainebleau ab, nur seine Garden umringten noch den gefallnen Mann, und auch von diesen mußte er einen letzten, ergreifenden Abschied nehmen, nachdem er am 12. April, durch die eiserne Nothwendigkeit dazu gezwungen, seine Abdankung unterzeichnet und mit einem Federzug Alles vernichtet hatte, was er in unersättlichem Ehrgeiz, mit Blut und Leichen und Menschenelend zusammengekittet. Napoleon konnte der Wohlthäter der ganzen civilisirten Menschheit werden, und er ward ihre Geißel, er kam im Namen eines neuen Geistes, einer neuen Weltanschauung und er benutzte seine Macht zur Wiederherstellung und Stütze des Alten, des Verrotteten und Abgelebten. Darum wurde auch jetzt dem Gewaltigen, der die Fürsten Europen's zwar unter seine Füße getreten, sie aber zugleich, damit sie ihm wirksamer dienten, zu Satrapen und Despoten gemacht, ein verhältnißmäßig mildes Loos zu Theil, bei dessen Bestimmungen die Klugheit nicht den Vorsitz führte. Man bewilligte ihm eine Jahresrente von zwei Millionen, die Souveränität über die Insel Elba, und vierhundert Soldaten Leibgarden. Für seine Familie sollte besonders gesorgt werden. – Viel zu wenig um dem Ehrgeiz dieses Mannes zu genügen, war dies gerade genug, ihm Spielraum für
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