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Dessen, S

Dessen, S

Titel: Dessen, S
Autoren: Because of you
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letzten Mail meines Vaters. Ohne groß nachzudenken schrieb ich ein paar Zeilen. Sowie eine Frage. Innerhalb einer halben Stunde erhielt ich seine Antwort.
     
    Natürlich kannst du kommen! Unbedingt! Und bleiben, so lange du möchtest. Wir freuen uns auf deinen Besuch!
     
    Und von einem Moment auf den nächsten veränderte sich mein Sommer komplett.
    ***
    Am nächsten Morgen trug ich eine kleine Reisetasche mit Klamotten, meinen Laptop sowie einen Riesenkoffer voller Bücher nach unten. Vor ein paar Wochen hatte ich die Lektürelisten zu einigen meiner
Defriese - Seminare
im Netz entdeckt. Es konnte sicher nicht schaden, wenn ich mich mit dem Stoff schon mal vertraut machte. Was sollte ich in Colby auch schon groß tun als lernen? Die Alternative bestand darin, am Strand abzuhängen oder meine Zeit mit Heidi zu verbringen – und keins von beidem erschien sehr verlockend.
    Ich hatte mich noch am Abend davor von meiner Mutter verabschiedet, da ich annahm, sie würde ausschlafen. Doch als ich in die Küche kam, räumte sie gerade müde und lustlos Unmengen Gläser und zerknüllte Servietten vom Tisch.
    »Ist es spät geworden?«, fragte ich, obwohl ich das natürlich längst wusste. Das letzte Auto war gegen halb zwei von unserer Auffahrt verschwunden.
    »Eigentlich nicht«, antwortete sie und ließ Wasser ins Spülbecken laufen. Über ihre Schulter hinweg blickte sie auf mein Gepäck. »Du machst dich früh auf den Weg. Kannst es wohl nicht erwarten, von mir wegzukommen, was?«
    »Nein, ich möchte nur vermeiden, mich hinten im Stau anzustellen.«
    Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass es meine Mutter groß interessieren würde, ob ich die Sommerferien hier verbrachte oder nicht. Und hätte ich ein anderes Ziel gehabt, wäre das vermutlich auch so gewesen.Doch sobald mein Vater ins Spiel kam, lag der Fall natürlich anders.
    »Ich kann mir kaum vorstellen, was dich dort erwartet.« Sie lächelte spöttisch. »Dein Vater mit einem Neugeborenen! In seinem Alter! Zu komisch.«
    »Ich werde dir erzählen, wie es ist«, sagte ich.
    »Du wirst nicht nur, du musst. Ich möchte regelmäßig Bericht erstattet bekommen.« Sie ließ ihre Hände im Seifenwasser versinken und begann, ein Glas zu spülen.
    »Wie fandest du Hollis’ Freundin?«, fragte ich.
    Meine Mutter seufzte schwer. »Was wollte sie überhaupt hier?«
    »Hollis hatte ihr ein Geschenk für mich mitgegeben.«
    »Ach wirklich?« Sie stellte ein paar Gläser aufs Abtropfgestell. »Was denn?«
    »Einen Bilderrahmen. Aus Griechenland. Mit einem Foto von Hollis.«
    »Aha.« Sie drehte den Wasserhahn zu, strich sich mit dem Handgelenk das Haar aus dem Gesicht. »Hast du ihr geraten, es zu behalten, weil das wahrscheinlich ihre einzige Chance ist, ihn wiederzusehen?«
    Obwohl mir der gleiche Gedanke durch den Kopf geschossen war, tat mir Tara plötzlich leid. »Wer weiß?«, antwortete ich. »Vielleicht hat Hollis sich geändert und die beiden verloben sich demnächst.«
    Meine Mutter drehte sich um. Musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. »Ach, Auden«, erwiderte sie. »Was habe ich dir eingeschärft, immer und immer wieder? Über Menschen, die sich ändern?«
    »Dass sie genau das nicht tun.«
    »Du sagst es.«
    Sie wandte sich wieder dem Spülbecken zu, tauchte einen Teller ins Wasser. In dem Moment entdeckte ich die schwarze Spießerbrille auf der Arbeitsfläche neben der Tür. Plötzlich ergab alles einen Sinn: Die Stimmen, die ich spätnachts noch gehört hatte; dass Mom so ungewöhnlich früh wach war und aufräumte. Einen Augenblick lang erwog ich, die Brille demonstrativ beiläufig in die Hand zu nehmen. Aber dann tat ich einfach so, als hätte ich sie nicht gesehen. Wir umarmten uns zum Abschied. Meine Mutter umklammerte mich immer so, als wollte sie nie wieder loslassen. Doch dann löste sie sich von mir und entließ mich in den Sommer.

Zwei
    Das Haus, in dem mein Vater und Heidi wohnten, sah exakt so heimelig aus, wie ich es erwartet hatte: Es war weiß mit grünen Fensterläden, auf der breiten Veranda befanden sich Schaukelstühle, Blumentöpfe und eine putzige gelbe Keramik-Ananas, auf der WILLKOMMEN! stand. Nur der weiße Lattenzaun fehlte.
    Als ich vor dem Haus anhielt, sah ich Dads verbeulten alten Volvo in der offen stehenden Garage. Daneben parkte ein etwas neuerer Prius. Sobald ich den Motor abgestellt hatte, konnte ich das Meer hören. Als ich zum Haus ging und einen Blick um die Ecke riskierte, sah ich plötzlich nichts als
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