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Dessen, S

Dessen, S

Titel: Dessen, S
Autoren: Because of you
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kaum erwidert, da stürzte sie auch schon auf mich zu und strahlte mich begeistert an. »Du bist bestimmt Auden.«
    »Ja«, erwiderte ich gedehnt.
    »Tara!«, stellte sie sich vor. Mit einer Selbstverständlichkeit, als müsste ich auf Anhieb wissen, um wen es sich handelte. Als ihr jedoch klar wurde, dass ich keine Ahnung hatte, wer sie war, fügte sie hinzu: »Hollis’ Freundin   …«
    Ach du liebe Zeit, dachte ich. Sagte allerdings: »Ach so, natürlich.«
    »Schön, dich endlich persönlich kennenzulernen«, sagte sie, trat auf mich zu, umarmte mich. Sie roch nach Gardenien und frischer Bettwäsche. »Hollis wusste, dass ich auf meinem Heimweg hier vorbeikommen würde, deshalb bat er mich, dir das zu bringen. Direktimport aus Griechenland!«
    Sie gab mir das in schlichtes braunes Papier gewickelte Päckchen. Auf der Vorderseite stand in Hollis’ unordentlicher, schräger Handschrift mein Name und unsere Adresse. Ein etwas beklommener Augenblick der Stille folgte, bis ich begriff, dass sie darauf wartete, dass ich das Päckchen öffnete. Also tat ich es. Zum Vorschein kam ein kleiner Bilderrahmen aus Glas. Der Rand war mit bunten Steinen verziert und unten waren die Worte EINE SUPERZEIT eingraviert. Das Foto selbst zeigte Hollis vor dem Tadsch Mahal, in T-Shirt und Cargoshorts, einen Rucksack über der Schulter und mit seinem typischen Lächeln in den Mundwinkeln.
    »Toll, was?«, meinte Tara. »Haben wir auf einem Flohmarkt in Athen aufgestöbert.«
    Weil ich nicht sagen konnte, was ich wirklich dachte – dass ich es nämlich ganz schön narzisstisch fand, ein Foto von sich selbst zu verschenken   –, antwortete ich: »Ja, wirklich sehr schön.«
    »Ich wusste, es würde dir gefallen!« Sie klatschte begeistert in die Hände. »Ich habe ihm erklärt, jeder Mensch braucht Bilderrahmen. Erst dadurch wird eine Erinnerung zu etwas wirklich Besonderem!«
    Noch einmal betrachtete ich den Bilderrahmen, die hübschen Steine, den lässigen Gesichtsausdruck meinesBruders. EINE SUPERZEIT – in der Tat. »Ja, unbedingt«, erwiderte ich.
    Tara schenkte mir erneut ihr Eine-Million-Watt-Lächeln, spähte dann an mir vorbei durchs Fenster ins Hausinnere. »Ist deine Mutter zu Hause? Ich würde sie auch gern kennenlernen. Hollis ist total hin und weg von ihr, redet ununterbrochen über sie.«
    »Das beruht auf Gegenseitigkeit«, entgegnete ich. Sie stutzte, warf mir einen forschenden Blick zu. Ich lächelte betont arglos. »Sie ist in der Küche. Lange schwarze Haare, grünes Kleid. Du kannst sie gar nicht verfehlen.«
    »Cool!« Bevor ich es verhindern konnte, umarmte sie mich noch einmal. »Vielen Dank.«
    Ich nickte. Dieses unbekümmerte Auftreten war typisch für alle Freundinnen meines Bruders, zumindest solange sie sich noch als seine Freundinnen fühlten. Wenn seine E-Mails und Anrufe dann versiegt waren und Mister Hollis wie vom Erdboden verschluckt schien, erlebten wir die andere Seite der Medaille: rot umränderte Augen, tränenreiche Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, aufheulende Motoren vor dem Haus   …
    Gegen elf trieb sich die Schar der Bewunderer immer noch im Dunstkreis meiner Mutter herum, das Stimmengewirr so laut wie immer. Ich hockte in meinem Zimmer, checkte, weil ich nichts Besseres zu tun hatte, meinen
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-Account (keine neuen Nachrichten – ich konnte auch nicht behaupten, dass ich ernsthaft mit welchen gerechnet hätte) sowie meine E-Mails . Überlegte kurz, ob ich eine meiner Freundinnen anrufen sollte, um herauszufinden, was da draußen so passierte. Doch dann fiel mirwieder ein, wie verkrampft meine letzten Versuche gewesen waren, etwas mit anderen zu unternehmen.
    Stattdessen setzte ich mich einfach nur aufs Bett. Hollis’ gerahmtes Foto stand auf dem Nachttisch. Ich nahm es in die Hand, betrachtete die kitschigen blauen Steine. EINE SUPERZEIT.   Etwas an dem Wort, an Hollis’ lässigem Lächeln erinnerte mich an das Geplauder meiner alten Schulfreundinnen über Tratsch und Jungs und Liebeskummer. Sie hätten vermutlich Millionen Fotos, die in diesen Rahmen passen würden. Ich hingegen besaß kein einziges.
    Erneut schaute ich mir das Foto meines Bruders an, den Rucksack über seiner Schulter. Reisen bedeutete immerhin Tapetenwechsel und die Chance auf neue Erfahrungen. Nach Griechenland oder Indien konnte ich mich vielleicht nicht mal so eben aufmachen. Aber es gab einen Ort, wo ich hinkonnte. Colby.
    Ich ging zu meinem Laptop, rief das E-Mail -Programm auf, scrollte bis zur
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