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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium
Autoren: Christin C. Mittler
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sollte nicht vergessen, dass Danielle eine nicht unbedeutende Rolle bei dieser Sache gespielt hat, die einiges bewirken kann. Die Möglichkeit bleibt, dass eure Töchter ein halbwegs normales Leben führen können. Es ist noch immer eine Frage der Zeit, bis wir Gewissheit haben werden.«
    Abermals seufzte Mathieu. Dieses Mal hatte es etwas Verzwe ifeltes an sich, das ihn selbst überraschte. »Wahrscheinlich brauchst du nicht mehr lange auf eine Entscheidung zu warten.«
    »Wie meinst du das?« Mathieus Vater richtete sich alarmiert in se inem Stuhl auf. Seine Augen weiterten sich. Sein Blick hatte etwas Fanatisches.
    »Cassim kam gestern zu mir«, begann er zögernd. »Sie hat geweint, meinte, sie würde sich merkwürdig fühlen. Nach einigen Ansätzen erzählte sie mir, sie würde um viele Menschen herum ein seltsames Leuchten sehen. In verschiedenen Farben und unterschiedlich stark …«
    »Was hat das zu bedeuten?«
    »Ich habe etwas darüber im Buch gelesen. Vor zweihundert Jahren gab es einen ähnlichen Fall.« Mathieu spürte, wie das Etwas in seiner Magengegend sich schmerzhaft zusammenzog. »Cassim sieht, wenn andere Menschen Sehnsucht empfinden.«
    Geräuschvoll zog sein Vater die Luft ein. »Hast du ihr gesagt, was sie da sieht?«
    »Natürlich nicht. Nicht direkt zumindest. Sie ist erst vierzehn! Nina würde mir den Kopf abreißen, wenn ich es ihr jetzt schon erzählen müsste. Aber wenn ich ihr gesagt hätte, es sei nichts und dass sie es ignorieren soll, würde es alles nur noch schlimmer machen. Ich meinte, dass das etwas sei, das nicht viele könnten, dass es nichts Schlimmes sei, dass sie aber nicht darüber reden soll.«
    » Glaubst du, sie hält sich daran?«
    »Sie ist vierzehn«, wiederholte er. »Keine fünf.«
    »Gut, gut.« Er sah aus als sei er mit den Gedanken bereits ganz woanders. »Was willst du nun machen?«
    Mathieu zuckte mit den Schultern. »Erst einmal gar nichts. Nina und ich haben uns vorhin zu heftig gestritten, deshalb werde ich nicht nach Hause fahren. Ich denke, ich werde im Hotel übernachten.«
    Der ältere Mann wirkte als wolle er ihm anbieten, hierzubleiben, schloss ihn dann jedoch wieder. »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, papa.« Mathieu verließ das Arbeitszimmer.
    Im Halbdunkel durchquerte er den Salon. Er warf einen abwesenden Blick auf die Wand gegenüber, ohne etwas zu sehen. Kein Gemälde, nur der dunkle Vorhang. Dann betrat er die große Eingangshalle mit ihrer hohen Decke und der geländerfreien Treppe, die in die höheren Stockwerke führte.
    Erneut überkam ihn der Anflug einer Erinnerung, doch er schob sie von sich, bevor er sie zuordnen konnte.
    Er hatte die Haustüre noch nicht ganz erreicht, als ein Geräusch ihn innehalten ließ. Eine weitere Tür, die ins Schloss fiel. Wie von selbst hielt er inne und lauschte. Gedämpfte, hohle Schritte, die sich von ihm entfernten. Es kam aus dem Keller, erkannte er – von dort, wo seit Danielles Tod niemand außer seinem Vater mehr hinging. Aus gutem Grund!
    Er änderte sein Vorhaben , nahm eine der Taschenlampen, die sich wie er wusste in der oberen Schublade in der Kommode neben der Haustür befanden, und folgte den Geräuschen.
    Der Keller war dunkel und vermodert. Auch wenn er auch diesen Flur noch aus Kindertagen ausgezeichnet gut kannte, wollte er lieber auf die Taschenlampe vertrauen.
    Als er den einzigen Raum am Ende des Kellerflurs erreichte, sah er schon von weitem das bläuliche Licht. Die Vorahnung verstär kte sich, wurde zu einem stechenden Schmerz in der Brust, die ihn vor etwas zu warnen wollen schien.
    Eine Gestalt, nicht mehr als ein Schemen, machte sich an dem Licht zu schaffen. Vorsichtig trat er näher, bis er sie erkannte:
    »Das ist unmög lich«, brach es aus ihm heraus.
    Dann wurde es schwarz um ihn herum.

1. Willkommen im Irrenhaus
     
     
    Es war einer dieser Tage, die meine Schwester uns im Kalender a nstrich. Seit drei Jahren in jedem Monat zwei Mal. Es war einer dieser Tage, an dem wir das Gebäude des Saint Helene- Krankenhauses für geistig Gestörte betraten.
    Die Nervenanstalt, pardon das Sanatorium war ein helles, erst vor drei Jahren gebautes Gebäude, das mit seinem kräftigen Außenanstrich auf den ersten Blick freundlich und einladend wirkte. Was meiner Meinung nach eine gewisse Ironie hatte.
    Kommt ihr Irren von Paris, hier fi ndet ihr ein zu Hause!
    Die kleine, quadratische Eingangshalle war mit schwarz- weiß karie rten Fliesen ausgelegt. Vertrauenserweckende Fotos von Ärzten und
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