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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder
Autoren: Jeff Lindsay
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Anspannung fortspülen und die Knoten in meiner Muskulatur lockern, schrubbte auch die letzten kleinen, an mir haftenden Spuren vom Geruch des Priesters und des Gartens des kleinen Hauses im Sumpf ab.
    Kinder! Ich hätte ihn zweimal umbringen sollen.
    Was auch immer mich zu dem machte, was ich bin, machte mich hohl, innerlich leer, unfähig zu Gefühlen.
    Sie scheinen nicht besonders wichtig zu sein. Ich bin verdammt sicher, dass die meisten Leute eine ganze Menge täglicher Kontakte nur vortäuschen. Ich täusche eben alles vor. Ich bin sehr gut darin, und Gefühle sind niemals vorhanden. Aber ich mag Kinder. Ich kann niemals eigene haben, weil Sex für mich völlig ausscheidet.
    Wenn ich mir vorstelle, diese Dinge zu tun … Wie kann man nur? Wo bleibt der Sinn für Würde? Aber Kinder –, Kinder sind etwas Besonderes. Vater Donovan verdiente zu sterben. Dem Code Harry wurde Genüge getan, ihm und dem Dunklen Passagier.
    Um viertel nach sieben fühlte ich mich wieder sauber.
    Ich trank Kaffee, aß Müsli und fuhr zur Arbeit.
    Das Gebäude, in dem ich arbeite, ist eines dieser großen modernen Dinger, weiß, mit Unmengen von Glas, in der Nähe des Flughafens. Mein Labor liegt im zweiten Stock, im hinteren Teil. Ich habe ein kleines Büro, das an das Labor grenzt. Es ist nicht gerade groß, aber es gehört mir, ein Kabuff neben dem Hauptlabor für Blutuntersuchungen. Alles meins, der Zutritt ist niemandem gestattet. Niemand, mit dem ich teilen muss, niemand, der meinen Bereich in Unordnung bringt. Ein Schreibtisch samt Stuhl, ein weiterer Stuhl für Besucher, falls sie nicht zu groß sind. Computer, Regal, Aktenschrank. Telefon.
    Anrufbeantworter.
    Ein Anrufbeantworter, der blinkte, als ich hereinkam.
    Eine Nachricht für mich ist nicht gerade ein alltägliches Ereignis. Aus irgendeinem Grund gibt es auf der Welt nur wenige Menschen, die einem Blutspurenanalytiker während der Arbeitszeit etwas mitzuteilen haben. Zu diesen wenigen Menschen, die mir etwas zu sagen haben, gehört Deborah Morgan, meine Adoptivschwester.
    Ein Cop, wie ihr Vater. Die Nachricht stammte von ihr.
    Ich drückte auf den Knopf und hörte blecherne Tejano- Musik, dann Deborahs Stimme. »Dexter, bitte, sobald du da bist. Ich bin an einem Tatort draußen am Tamiami Trail, beim Motel Cacique.« Eine kurze Pause. Ich hörte, wie sie die Hand auf die Sprechmuschel legte und etwas zu jemandem sagte. Dann erneut ein Schwall mexikanischer Musik, und sie war wieder dran. »Kannst du sofort herkommen? Bitte, Dex.«
    Sie legte auf.
    Ich habe keine Familie.
    Ich meine, so weit ich weiß. Sicher gibt es dort draußen irgendwo Menschen, die mit dem gleichen genetischen Material versehen sind wie ich. Ich bedaure sie. Aber ich habe sie nie kennen gelernt. Ich habe es nicht versucht, und sie haben nicht versucht, mich zu finden. Ich wurde von Harry und Doris Morgan, Deborahs Eltern, adoptiert und großgezogen. Und angesichts dessen, was ich bin, haben sie dabei wundervolle Arbeit geleistet, meinen Sie nicht?
    Beide sind mittlerweile gestorben. Und so ist Deb der einzige Mensch auf der Welt, den es einen rostbraunen Stinktierfurz schert, ob ich tot oder lebendig bin. Ich finde das nett, und wenn ich überhaupt etwas empfinden könnte, dann für Deb.
    Deshalb machte ich mich auf den Weg. Ich verließ den Metro-Dade-Parkplatz und fuhr auf den nahe gelegenen Turnpike, der mich nach Norden zu dem Abschnitt des Tamiami Trail führte, an dem das Motel Cacique und mehrere hundert seiner Brüder und Schwestern liegen.
    Auf seine eigene Art ist es das Paradies. Besonders für Kakerlaken. Reihen von Gebäuden, die gleichzeitig schimmern und vermodern. Leuchtendes Neon über uralten, verwahrlosten, vom Schwamm befallenen Gemäuern. Entweder fährt man nachts dorthin oder gar nicht. Denn das Ganze bei Tageslicht zu betrachten veranschaulicht einem die Grundlage unseres brüchigen Vertrags mit dem Leben.
    In jeder Großstadt existiert ein Areal wie dieses. Wenn ein scheckiger Zwerg mit fortgeschrittener Lepra Sex mit einem Känguruh und einem Teenagerchor sucht, wird er hier fündig werden, einschließlich eines Zimmers. Wenn er fertig ist, kann er die ganze Bande auf einen kubanischen Kaffee und ein Medianoche- Sandwich nach nebenan schleppen. Niemand wird sich daran stören, solange er Trinkgeld gibt.
    Deborah war in der letzten Zeit zu oft hier gewesen. Ihre Meinung, nicht meine. Es schien ein guter Ort zu sein, wenn man Polizist war und seine statistische Chance
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