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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder
Autoren: Jeff Lindsay
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sie.
    Interessant.
    »Hier geht es um etwas Besonderes, oder?«, fragte ich sie.
    »Er fällt in meine Zuständigkeit, wegen der Nutten.« Sie zeigte mit dem Finger auf mich. »Und DAS bedeutet, dass ich eine Chance habe, mitzumachen, aufzufallen und zur Mordkommission befördert zu werden.«
    Ich schenkte ihr mein fröhliches Lächeln. »Ehrgeiz, Deborah?«
    »Gottverdammt richtig«, bestätigte sie. »Ich will raus aus der Sitte, und ich will raus aus diesem Nuttenaufzug. Ich will zur Mordkommission, Dexter, und das hier könnte meine Fahrkarte sein. Nur ein kleiner Durchbruch –« Sie zögerte. Und dann sagte sie etwas absolut Erstaunliches. »Bitte hilf mir, Dex«, sagte sie. »Ich hasse es wirklich.«
    »Bitte, Deborah? Hast du wirklich Bitte gesagt? Weißt du eigentlich, wie nervös mich das macht?«
    »Hör auf mit dem Blödsinn, Dex.«
    »Aber Deborah, wirklich –«
    »Hör auf, habe ich gesagt. Wirst du mir nun helfen oder nicht?«
    So formuliert und mit dem seltenen Bitte, das in der Luft hing, was konnte ich da anderes antworten als: »Natürlich, Deb. Das weißt du doch.«
    Sie fasste mich scharf ins Auge und nahm ihr Bitte zurück. »Ich weiß es nicht, Dexter. Was dich angeht, weiß ich gar nichts.«
    »Natürlich werde ich dir helfen, Deb«, wiederholte ich, wobei ich versuchte, verletzt zu klingen. Und mit einer wirklich guten Imitation gekränkter Würde wandte ich mich zu den Mülltonnen und zu dem Rest der Laborratten um.
    Camilla Figg kroch durch den Müll und suchte nach Fingerabdrücken. Sie war eine stämmige Frau von fünfunddreißig mit kurzen Haaren, die niemals auf meine luftigen, charmanten Komplimente zu reagieren schien.
    Aber als sie mich sah, richtete sie sich auf den Knien auf, errötete, und sah zu, wie ich vorüberging, ohne ein Wort zu sagen. Sie schien mich immer anzustarren und zu erröten.
    Auf der anderen Seite der Müllcontainer saß Vince Masuoka auf einem umgedrehten Milchkarton und stocherte in einer Hand voll Abfall herum. Er war Halbjapaner und riss gern Witze darüber, dass er die kürzere Hälfte abbekommen hatte. Zumindest nannte er es Witze.
    Irgendetwas an Vinces breitem asiatischen Lächeln war leicht daneben. Als hätte er Lächeln aus einem Bilderbuch gelernt. Selbst wenn er die üblichen schmutzigen Witze über Polizisten riss, war ihm niemand wirklich böse. Andererseits lachte auch niemand, aber das konnte ihn nicht aufhalten. Er vollzog alle korrekten rituellen Gesten, aber er schien nur so zu tun, als ob. Ich glaube, darum mochte ich ihn. Noch ein Typ, der vorgab, ein menschliches Wesen zu sein, genau wie ich.
    »Nun, Dexter«, sagte Vince, ohne den Kopf zu heben. »Was führt dich hierher?«
    »Ich wollte dabei zuschauen, wie echte Experten in einer absolut professionellen Atmosphäre arbeiten«, erwiderte ich. »Hast du welche gesehen?«
    »Haha«, machte er. Es sollte ein Lachen sein, aber es schien noch unechter als sein Lächeln. »Du glaubst wohl, du wärst in Boston.« Er entdeckte etwas und hielt es blinzelnd ins Licht. »Ernsthaft, warum bist du hier?«
    »Warum sollte ich nicht hier sein, Vince?«, sagte ich und täuschte einen indignierten Ton vor. »Es ist ein Tatort, oder nicht?«
    »Dein Job sind Blutspuren«, antwortete er, warf weg, worauf auch immer er gestarrt hatte, und suchte weiter.
    »Ich weiß.«
    Er sah mich mit seinem strahlendsten falschen Lächeln an. »Hier gibt es kein Blut, Dex.«
    Mir wurde schwindelig. »Was soll das heißen?«
    »Kein Blut drin, drauf oder drum herum, Dex. Überhaupt kein Blut. Die unheimlichste Angelegenheit, die du jemals gesehen hast«, erwiderte er.
    Überhaupt kein Blut. Ich konnte hören, wie die Bemerkung in meinem Kopf widerhallte und immer lauter wurde. Kein heißes, klebriges, ekliges Blut. Keine Spritzer. Keine Flecken. ÜBERHAUPT KEIN BLUT.
    Warum hatte ich daran nicht gedacht? Es fühlte sich an wie ein fehlendes Teil von etwas, von dem ich nicht gewusst hatte, dass es unvollständig war.
    Ich gebe nicht vor zu verstehen, was es mit Dexter und Blut auf sich hat. Allein beim Gedanken daran beiße ich die Zähne zusammen – und trotzdem habe ich es zu meiner Karriere, meinem Studium, meiner Arbeit gemacht.
    Offensichtlich handelt es sich hier um etwas sehr Tiefgründiges, aber ich finde es ein bisschen ermüdend, dem nachzugehen. Ich bin, was ich bin, und ist es nicht ein wunderschöner Abend, um einen Kindermörder zu zerlegen?
    Aber das – »Geht es dir gut, Dexter?«, fragte
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