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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder
Autoren: Jeff Lindsay
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wird zwei Mal die Woche geleert, sie lag vielleicht schon seit zwei Tagen hier drin.«
    Ich schaute mich auf dem Parkplatz um, sah dann hinüber zur schäbigen Fassade des El Cacique. »Was ist mit dem Hotel?«
    Angel zuckte die Achseln.
    »Sie durchsuchen es noch, aber ich glaube nicht, dass sie etwas finden werden. Die anderen Male hat er einfach einen vorhandenen Container benutzt. Hu«, sagte er plötzlich.
    »Was?«
    Er benutzte einen Bleistift, um den Plastiksack auseinander zu ziehen. »Sieh dir diesen Schnitt an.«
    Das Ende eines ausgelösten Beins schaute heraus, im gleißenden Sonnenschein wirkte es bleich und ausgesprochen tot. Dieses Stück endete unter dem Knöchel, der Fuß war sauber abgehackt worden. Darauf war ein kleiner Schmetterling eintätowiert, dessen einer Flügel zusammen mit dem Fuß abgetrennt worden war.
    Ich pfiff. Es war beinah chirurgisch. Der Typ lieferte saubere Arbeit – besser konnte ich es auch nicht. »Sehr sauber«, bemerkte ich. Und das war es, selbst abgesehen von der Perfektion des Schnitts. Ich hatte noch nie so sauberes, trockenes, ordentlich wirkendes totes Fleisch gesehen. Wundervoll.
    » Me cago en diez auf sauber und ordentlich«, sagte er.
    »Es ist nicht fertig.«
    Ich starrte an ihm vorbei tiefer in den Sack. Nichts bewegte sich darin. »Für mich sieht es ziemlich fertig aus, Angel.«
    »Schau her«, forderte er mich auf. Er öffnete einen der anderen Säcke. »Dieses Bein hat er in vier Stücke zerteilt. Fast wie mit einem Lineal, he? Und das hier«, er wies auf den ersten Knöchel, den ich so tief bewundert hatte, »das hier schneidet er nur in zwei Teile? Wie kommt das, he?«
    »Ich weiß es ganz sicher nicht«, sagte ich. »Vielleicht kann sich Detective LaGuerta einen Reim darauf machen.«
    Angel schaute mich einen Moment lang an, und wir gaben uns beide große Mühe, keine Miene zu verziehen.
    »Vielleicht«, sagte er und machte sich wieder an die Arbeit. »Warum gehst du nicht und fragst sie?«
    »Hasta luego, Angel«, verabschiedete ich mich.
    »Mit ziemlicher Sicherheit«, antwortete er, den Kopf über dem Plastiksack.
    Vor einigen Jahren waren Gerüchte im Umlauf gewesen, dass Detective Migdia LaGuerta zur Mordkommission versetzt worden war, weil sie mit jemandem geschlafen hatte. Wenn man sie so ansah, konnte man es fast glauben. Alle erforderlichen Teile saßen bei ihr an den richtigen Stellen, um sie auf eine mürrische, aristokratische Weise attraktiv wirken zu lassen. Eine wahre Make-up-Künstlerin und sehr gut gekleidet, Bloomingdale-Schick.
    Aber die Gerüchte können nicht stimmen. Obwohl sie äußerlich sehr feminin wirkte, habe ich nie eine Frau getroffen, die innerlich maskuliner gewesen wäre. Sie war hart, ehrgeizig auf äußerst selbstsüchtige Weise, und ihre einzige Schwäche schienen wie Models aussehende Männer zu sein, die ein paar Jahre jünger waren als sie. Deshalb bin ich sicher, dass Sex nicht der Grund für ihre Versetzung zur Mordkommission war. Sie arbeitet für die Mordkommission, weil sie Kubanerin ist, ihre Karten richtig ausspielt und weiß, wie man anderen in den Arsch kriecht. Diese Kombination bringt einen in Miami wesentlich weiter als Sex.
    LaGuerta ist wirklich gut im Arschkriechen, sie ist eine Weltklasse-Arschkriecherin. Sie ist bis zur gehobenen Position einer Mordermittlerin durch sämtliche Ärsche gekrochen. Unglücklicherweise handelt es sich dabei um einen Job, bei dem ihre Fähigkeiten zum rückwärtigen Schleimen nicht gefragt waren, und sie war ein miserabler Detective.
    So etwas passiert, Inkompetenz wird häufig belohnt. Ich muss so oder so mit ihr arbeiten. Also habe ich meinen nicht unbeträchtlichen Charme eingesetzt, damit sie mich mag. Einfacher, als man denkt. Jeder kann bezaubernd sein, wenn es ihm nichts ausmacht, nur so zu tun, und all die dummen, offensichtlichen, Übelkeit erregenden Dinge zu sagen, die den meisten Menschen mit einem Gewissen nicht über die Lippen kommen. Glücklicherweise besitze ich kein Gewissen. Ich spreche sie aus.
    Während ich mich der kleinen Gruppe beim Café näherte, befragte LaGuerta jemanden in Maschinengewehr-Spanisch. Ich spreche Spanisch; außerdem verstehe ich ein wenig Kubanisch. Bei LaGuerta verstand ich nur eins von zehn Wörtern. Der kubanische Dialekt ist die Verzweiflung der spanischsprachigen Welt. Der einzige Zweck des Sprechens scheint ein Rennen gegen eine unsichtbare Stoppuhr zu sein, um innerhalb von drei Sekunden so viel wie möglich
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