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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder
Autoren: Jeff Lindsay
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Ideen?«
    »Möglich«, sagte ich. »Es ist noch ein bisschen zu früh.«
    »Nun, Morgan«, sagte LaGuerta hinter uns. Wir drehten uns um. »Wie ich sehe, sind Sie für echte Polizeiarbeit gekleidet.«
    Etwas in LaGuertas Tonfall war wie ein Schlag ins Gesicht. Deborah wurde steif. »Detective«, erwiderte sie. »Haben Sie etwas herausgefunden?« Ihr Ton verriet, dass sie die Antwort kannte.
    Eine unfaire Bemerkung. Aber sie traf nicht. LaGuerta winkte ab. »Es sind nur Huren«, sagte sie mit einem scharfen Blick auf Debs Dekolleté, das durch ihren Nuttenaufzug noch betont wurde. »Nur Nutten. Das Wichtigste ist, die Presse davon abzuhalten, hysterisch zu werden.« Sie schüttelte langsam, wie ungläubig, den Kopf und sah auf. »Angesichts dessen, was man mit Druck erreichen kann, sollte das einfach sein.« Und sie zwinkerte mir zu und schlenderte davon, hinüber zum Zaun, wo Captain Matthews ausgesprochen würdevoll mit Jerry Gonzalez von Channel 7 sprach.
    »Miststück«, sagte Deborah.
    »Es tut mir Leid, Debs. Soll ich lieber sagen Der zeigen wir es? Oder mache ich jetzt weiter mit Ich hab’s dir ja gesagt? «
    Sie funkelte mich an. »Verdammt, Dexter«, meinte sie.
    »Ich wäre wirklich gern diejenige, die den Kerl findet.«
    Und wenn ich an dieses überhaupt kein Blut dachte … Ich auch. Ich wollte ihn auch schrecklich gern finden.

4
    A n diesem Abend fuhr ich nach der Arbeit mit dem Boot hinaus. Um Deborahs Fragen zu entgehen und über meine Gefühle nachzudenken. Gefühle. Ich, Gefühle. Was für eine Vorstellung.
    Ich steuerte mein Fischerboot vorsichtig aus dem Kanal heraus, tuckerte mit geringer Geschwindigkeit an den letzten Häusern vorbei, die durch hohe Hecken und Maschendrahtzäune voneinander abgeschirmt wurden. Automatisch winkte und lächelte ich all den Nachbarn draußen in ihren ordentlich gestutzten Gärten am Kanalufer zu. Kinder spielten auf den manikürten Rasenflächen. Mom und Dad grillten oder faulenzten oder polierten den Stacheldraht, während sie mit Argusaugen über ihre Brut wachten. Ich grüßte jeden. Einige winkten sogar zurück. Sie kannten mich, hatten mich schon früher vorbeifahren sehen, immer fröhlich, immer einen Gruß auf den Lippen. Er war immer so ein netter Mann.
    Sehr freundlich. Ich kann nicht glauben, dass er diese schrecklichen Dinge getan hat … Am Ausgang des Kanals drehte ich den Motor auf und nahm Kurs nach Südosten in Richtung Cape Florida.
    Der Wind in meinem Gesicht und der Geschmack der salzigen Gischt halfen mir, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich fühlte mich sauber und etwas frischer. Es fiel mir wesentlich leichter nachzudenken. Zum Teil lag es an der Ruhe und dem Frieden auf dem Wasser. Und zum Teil daran, dass die übrigen Boote mich scheinbar in bester Miami-Tradition umzubringen versuchten. Ich fand das sehr entspannend. Ich fühlte mich richtig zu Hause. Das ist mein Land; das ist mein Volk.
    Während der Arbeitszeit hatte ich nur wenige forensische Neuigkeiten erfahren. Um die Mittagsstunde kam die Story in den Nachrichten. Nach der »grausigen Entdeckung« beim Motel Cacique flog der Deckel von den Nuttenmorden. Channel 7 hatte bei der Präsentation des hysterischen Grauens von Leichenteilen in einem Müllcontainer wundervolle Arbeit geleistet, ohne irgendetwas über sie zu sagen. Wie Detective LaGuerta so scharfsinnig beobachtet hatte, handelte es sich nur um Nutten; aber sobald der öffentliche Druck seitens der Medien anstieg, konnten es ebenso gut Senatorentöchter sein. Und so hatte das Department bei seinen Verteidigungsmanövern einen Gang zugelegt, da sie haargenau wussten, welche Art herzerweichenden Geschwätzes die mutige und fürchtlose Infanterie der fünften Gewalt von sich geben würde.
    Deb hatte am Tatort ausgeharrt, bis der Captain begann, sich wegen der Genehmigung zu vieler Überstunden Gedanken zu machen, dann hatte man sie nach Hause geschickt. Gegen vierzehn Uhr begann sie mich anzurufen, um sich nach meinen Fortschritten zu erkundigen, die nur sehr gering waren. Im Hotel hatten sich keine Anhaltspunkte gefunden. Auf dem Parkplatz waren so viele Reifenspuren, dass man sie nicht mehr unterscheiden konnte. Keine Abdrücke oder Spuren im Müllcontainer, auf den Säcken oder Leichenteilen. Alles war vollkommen rein, selbst nach den Maßstäben des Gesundheitsamts.
    Der einzige wichtige Anhaltspunkt des Tages war das linke Bein. Wie Angel bemerkt hatte, war das rechte in mehrere saubere Stücke geschnitten worden, an
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