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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem
Autoren: Harry Thürk
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industrielle Kooperation bis zum frühen Nachmittag auf. Den in der Mitte des Zimmers an der Decke befestigten Ventilator, der den Zusatz „vollklimatisiert" im Hotelprospekt rechtfertigen sollte, stellte er ab. Er schlief kaum eine Stunde, aber als er aufwachte, fühlte er sich ausgeruht.
    Etwa um diese Zeit fand der junge Mann, der ihn im Hotel empfangen hatte, die Gelegenheit, unbeobachtet zu telefonieren. Er verlangte Mister Blake persönlich zu sprechen und sagte nach einer kurzen Pause gedämpft in die Muschel: „Mister Blake, dies ist ein Hinweis für Sie vom Empfangschef des Hotels Asia. Ein Professor Leo Wilkers, Schweizer, aus den Vereinigten Staaten kommend, hat nach Ihnen gefragt. Es wird Sie interessieren, dass er sich außerdem erkundigt hat, wie er zum Büro für industrielle Kooperation kommen kann."
    Er lächelte und deutete sogar eine leichte Verbeugung an, während er sagte: „Oh, keine Ursache, das war eine Selbstverständlichkeit, Mister Blake!" Er sagte das alles in seiner Landessprache.
    Wilkers war ein wenig enttäuscht, denn das Taxi fuhr schon nach kurzer Zeit dicht an den linken Straßenrand und hielt. Hier, inmitten eines modernen Viertels, lag das Büro für industrielle Kooperation. Das Gebäude, in dem es untergebracht war, unterschied sich kaum von den anderen weißen Betonkolossen, die mit ihm in einer Reihe standen. Bangkok hatte wohl in den letzten Jahren keine Gelegenheit versäumt, sein äußeres Bild jenem anzugleichen, das man von den Großstädten Amerikas gewöhnt war.
    Wilkers hatte andere asiatische Städte besucht, und er erinnerte sich gern an das bunte Durcheinander, das dort herrschte, an die Straßenhändler und die Rikschas, die Kinder, die am Straßenrand spielten, und die Eselskarren, an die Düfte um die Straßenküchen herum, das Geschrei der Handwerker und das Menschengewimmel auf den Bürgersteigen. Bangkok war anders, zumindest das Zentrum der Stadt. Der Professor war sich nicht klar darüber, ob er es moderner nennen sollte. Die mondäne Oberfläche wirkte aufgetragen, sie ließ erkennen, dass sie dünn war, künstlich. Wenn man die Thai-Schriftzeichen unter den Pepsi-Cola-Plakaten und Füllhalterreklamen, den Tafeln mit riesigen Zahncremetuben oder Taschenlampen gegen lateinische Beschriftungen austauschte, konnte das hier auch Florida sein oder Kalifornien. Der Unterschied war gering, denn selbst die Erzeugnisse, die sie anpriesen, waren die gleichen wie in den Vereinigten Staaten.
    Leo Wilkers entsann sich der Feststellungen eines seiner Kollegen, der längere Zeit in diesem Lande verbracht hatte und nach dessen Urteil Thailand unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten im Begriff war, immer mehr von seiner nationalen Eigenart zu verlieren. Zweifellos begann dieser Prozess in der Hauptstadt und nahm hier das größte Ausmaß an, darüber konnten die gepflegten Tempel nicht hinwegtäuschen, die zwischen den Hochhäusern standen. Hätten diese Leute, die da auf den Bürgersteigen gehen, nicht asiatische Gesichter, dachte Wilkers, könnten sie ebenso gut aus Palm Beach stammen oder Santa Monica. Die jungen Männer tragen Anzüge im gleichen Schnitt wie die dort, und die kurzen Röcke der Mädchen unterscheiden sich kaum von denen, die man in Los Angeles sieht oder in Miami. Wer hat einmal davon geschrieben, dass man in diesem Land den Sarong trägt, aus kostbarer Seide? Wer sprach von den tausend Wohlgerüchen des Orients? Bangkok konnte er kaum damit gemeint haben. Oder aber seine Feststellung beschränkte sich auf das, was an den Rändern der Stadt sein mochte, in der für Touristen konservierten Gegend, in der es noch Boote mit Frauen und Kindern gab, die exotische Früchte anboten, oder vielleicht in den stillen Höfen der Tempel.
    Ich werde umdenken müssen, dachte Wilkers. Vieles vergessen und einiges hinzulernen. Dies ist das Asien, wie es die Vereinigten Staaten ausprägen, wenn ihrem Einfluss freie Bahn gelassen wird. Soll man es bewundern? Oder soll man betrauern, was da verloren ging?
    Er betrat das Gebäude und blickte sich in der geräumigen Halle um. An einem Tisch saß eine junge Thailänderin in einem hautengen Kleid aus gelbem Kattun. Als Wilkers auf sie zuging, schlug sie die Beine übereinander, dabei war zu sehen, dass ihre Unterwäsche die gleiche Farbe hatte wie ihr äußerst kurzes Kleid. Sie trug eine Sonnenbrille, Wilkers konnte ihre Augen nicht erkennen. Er nickte ihr zu und sagte, dass er zu Mister Warren wollte. Das Mädchen lud
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