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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod
Autoren: Daniel Scholten
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Stehen war unnatürlich aufgerichtet. Barbro starrte mit aufgerissenen Augen in ihre Richtung. Vor ihr lag Sundman. Nein, er lag nicht, sein Kopf war in Barbros Schoß gebettet, sein Kreuz durchgebogen. Als hätte sie die beiden bei etwas Schlüpfrigem erwischt.
    Der Gang dauerte ewig. Barbro rührte sich nicht, gab Sofi kein befreiendes Zeichen. Auf ihrem Bauch troff ein großer roter Fleck in Form einer Raute. Er zog sich von ihrem Busen bis hinunter in ihren Schoß. Barbro lebte, ihre Augen waren nicht tot. Sofi erkannte es auf den letzten Metern. Neben ihrem Kopf war die Holzverkleidung der Wand zersplittert. Sie zog den toten Körper von ihr weg. Er fiel in sich zusammen. Barbro stöhnte laut auf, befreite sich so aus ihrer Starre. Sofi dachte an das Eintauchen in ein warmes Schaumbad. Barbros Jacke war geöffnet. Der Fleck saß auf dem weißen Oberteil darunter. Sofi riss es hoch. Der nackte Bauch war unversehrt.
    Barbro seufzte: »Sofi.«
    Aber Sofi hörte nur das Schellen in ihrem Kopf.

69
    Henning und Kjell folgten dem Licht. Die Frauen saßen wie kleine Mädchen auf dem Boden und hatten den Rücken an die Wand gelehnt. Das Ende des Ganges war rot gesprenkelt. Sie kicherten, verstummten aber, als sie ihre Kollegen bemerkten. Jeder von ihnen nahm eine der beiden auf. Ihre Körper hingen schlaff in ihren Armen. Sie trugen sie die Treppe hinauf. Kjell trug Sofi, die leichter war als Barbro. Er fühlte keine Aufregung mehr. Nur dass er sie so mühelos tragen konnte, ließ ihn daran denken, dass ein Körper voller Adrenalin sein musste.
    »Morgen ist Lucia«, flüsterte Sofi mitten auf der Treppe.
    »Ja, Sofi.«
    »Ich bin die Lucia«, lachte Sofi.
    Sie lächelte zufrieden. Vorhin musste sie geweint haben. Er glaubte, dass sie die Antwort nicht gehört hatte, obwohl ihr Gesicht ganz nah war.
    »Hörst du mich?«
    Sie nickte.
     
    Das Haus war jetzt voller Polizisten in Uniform. Man fand Fohlin in unveränderter Lage in der Küche. Sofi und Barbro wurden sofort zu einem Wagen gebracht. Ein Notarztfahrzeug traf ein. Barbro war unverletzt. Der Arzt stellte fest, dass Sofis Kiefer nur geprellt war.
    »Wir haben Befehl vom Justizminister, sofort mit Sofi ins Präsidium zurückzukehren«, berichtete Henning.
    »Der Justizminister kann uns alle mal!«, lachte Barbro. »Lasst mich mit ihm reden!«
    »Fahr du mit ihr«, sagte Kjell zu Henning. »Ich muss mich um Fohlin kümmern.«
    Der Wagen steuerte das andere Ende des Gebäudekomplexes an und hielt vor dem Rathaus. Zwei Säpo-Leute empfingen sie und führten sie durch das Rathaus den Personaltunnel hindurch ins Präsidium. Sie wurden direkt in das Büro von Kullgren bei der Säpo gebracht.
    Kullgren betrachtete Sofis Gesicht mit sorgenvollem Blick.
    »Der Staatsminister spricht soeben mit dem ägyptischen Präsidenten. Der Geheimdienst hat die Ägypter gefunden. Sofi muss sie identifizieren.«
    »Nein«, rief Sofi und versuchte sich von dem Stuhl zu erheben, auf den man sie bugsiert hatte, aber alle drückten sie nach unten.
    An der Wand hing ein breiter Flachbildschirm. Darauf erschien nun das Gesicht eines Mannes. Sofi kauerte auf ihrem Stuhl. Der Mann am anderen Ende der Videoschaltung war wohl der Chef des ägyptischen Geheimdienstes. Er sprach mit Kullgren. Sie sprachen englisch, und sie sprachen über Sofi.
    »Sofi!« Kullgren redete eindringlich auf sie ein. »Sieh zum Bildschirm. Sie haben die Leute am Nachmittag verhaftet und müssen wissen, ob sie es waren. Erkennst du dort jemanden?«
    Sofi bewegte den Kopf in die Richtung und erkannte ein Gruppenbild. Mindestens ein Dutzend Menschen waren darauf, die Hälfte davon Kinder. Die Gesichter der Erwachsenen hatte man ausgeschnitten und vergrößert. Sofi erkannte zwei Gesichter sofort wieder. Den Mann und die Frau. Das Gruppenbild zeigte eine Dorfgemeinschaft. Der Mann sah hier ganz friedlich aus, gar nicht bedrohlich. Die Augen der Frau jedoch waren selbst auf dieser friedlichen Aufnahme dieselben, unerbittlich und grausam. Sofi fragte sich, ob nur sie das bemerkte. Auf dem Foto war zu erkennen, dass die Frau nicht die Ehefrau des Mannes war. Sie standen weit auseinander, und die Frau war mindestens zwanzig Jahre älter. Sie sah alt aus. In Kairo hatte Sofi nicht bemerkt, dass die Frau so alt war.
    Die Stimme des Ägypters wurde laut und ungeduldig. Er würdigte sie keines Blickes, obwohl sie auf seinem Monitor zu sehen sein musste. Er sprach nur zu Kullgren.
    Sofi hielt sich die Hände vor das Gesicht. Sie
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