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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod
Autoren: Daniel Scholten
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Gangs vier Meter von ihr entfernt. Von oben platzte ein Schuss durchs ganze Haus. Jon Ola zuckte nur kurz und lächelte. Barbro wich zurück, wich immer weiter. Im Kopf wusste sie, wie falsch das war, trotzdem tat sie es. Sie tat es schon die ganze Zeit. Sie spürte ihre Finger nicht. Sie hatte sich schon tausendmal entschlossen abzudrücken.
     
    Sofi zog Kenneth Fohlin ächzend in die Küche. Sein Oberschenkel hinterließ eine breite Blutspur auf den hellen Kacheln. Nach dem Schuss hatte sie sich unter ihm befreien können und ihm noch einmal mit dem Knie gegen die Schläfe geschlagen. Diesmal hatte sie getroffen. Sie schloss die Küchentür und gab ihm einen Tritt gegen den Brustkorb. Er erwachte röchelnd aus seiner Ohnmacht. Sein Schlag war so stark gewesen, dass ihre Knie immer wieder nachgaben. Sie hielt ihm die Pistole ins Gesicht.
    »Ich töte dich jetzt aus Notwehr. Wer hat Carl und Kajsa getötet? Fünf, vier, drei, zwei, …«
    Sie zählte, so schnell sie konnte. Er war als Major im Kosovo gewesen. Er hatte viele Menschen schießen sehen. Er sah es in ihren Augen. Sie würde es tun.
    »Kajsa!«, stöhnte er auf.
    »Was Kajsa?«
    »Sie hat Petersson getötet. Ich kann es beweisen. Wir haben alles auf Video. Bei Sundman. Such bei Sundman!« Seine Stimme klang immer noch so gurgelnd seit Sofis erstem Angriff.
    »Du lügst. Ist Sundman im Haus?«
    Er nickte.
    »Ist er bewaffnet?«
    Er nickte wieder.
    »Wer hat Kajsa getötet?«
    »Wir nicht. Das Haus stand schon in Flammen, als wir wieder hinkamen.«
    »Wer!«
    »Die Ägypter. Es müssen die Ägypter gewesen sein.«
    Sofi dachte an Kullgrens Worte. Er hatte Recht. Sie hatte das einzig Richtige getan. Kajsa das Falsche. Sie war eine von denen, die die Ägypter betrogen hatten. Sofi versetzte Fohlin erneut einen Tritt, aber er wurde davon nur benommen. Sie sprang aus der Küche und verriegelte die Tür hinter sich. Sie war aus leichtem Holz, aber weil sie nach innen aufging, würde er sie kaum auftreten können. Als sie den Schlüssel abzog, zögerte sie. Wenn sie ihn töten wollte, dann jetzt. Sie überlegte. Sie musste es jetzt tun. Sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob er zu den Ägyptern gehörte. Warum war er nicht tot wie Kajsa? Sie erschrak über sich selbst. Sie wollte niemanden töten. Nur die Frau mit dem Messer in Kairo. Wenn sie jetzt vor ihr stünde, würde sie die Frau töten.
    Sie lauschte in die Weite des Hauses und betastete ihren Unterkiefer. Still zu lauschen, fiel ihr unendlich schwer. In ihrem linken Ohr rauschte es. Sie wusste nicht, ob ihr Kiefer gebrochen war. Zuletzt war sie mit zehn Jahren von ihrer Mutter geschlagen worden.
    Sie rannte zur Treppe. Die Stufen waren aus Marmor oder einem Imitat. Mit ihren hartgefrorenen Gummisohlen erzeugte sie darauf ein lautes Tappen. Sie hielt sich am Geländer fest und nahm Stufe um Stufe, wobei sie sich tief in die Knie sinken ließ, um den Aufprall abzudämpfen. Ihre Knie schmerzten, als hätte jemand mit einem Hammer daraufgeschlagen. Die Treppe wand sich wie eine Spirale hinab. Als sie in der Biegung erkannte, dass am Ende der Treppe noch ein Durchgang folgte, ging sie schneller. Sie spähte um die Ecke und sah im Schatten den Umriss eines Mannes. Er stand mit dem Rücken zu ihr. Und Barbro erkannte sie bald darauf als noch dunkleren Fleck, der hin und wieder auftauchte. Sofi glaubte, dass Barbro sie nicht sehen konnte. Sie wurde von dem Mann verdeckt.
    Was dort vor sich ging, konnte sie nicht erkennen. Die beiden gaben keinen Laut von sich. Dann hörte sie Barbro aufschluchzen. Sofi wackelte auf ihren Beinen. Deshalb lehnte sie sich mit der linken Schulter gegen die Wand. Sie zielte ins Dunkel. Immer wieder vermischten sich die beiden Konturen. Sofi biss sich auf die Lippe. Sie konnte unmöglich schießen. Emelie. Sie konnte nicht riskieren, Barbro zu treffen. Der Knall, dachte sie. Sie hatte Gott darum gebeten. Schnell werden Wünsche wahr.
    Sie hob die Waffe ein wenig, das verbesserte die Chance, den Mann zu treffen. Sofi schloss die Augen und machte sie wieder auf. Und schoss.
     
    Der Knall in dem langen, unverkleideten Gang mit dem Steinboden riss Sofi das Herz aus der Brust. In ihren Ohren hallte er noch lange danach. Das laute Schellen in ihren Ohren weckte sie und ließ sie mechanisch nach einem Lichtschalter tasten. Es überdeckte alle anderen Geräusche. Als das Licht ihr in die Augen stach, zuckte sie zusammen. Barbro stand. Sie stand in Rot und Gelb an die Wand gelehnt. Ihr
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