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Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Titel: Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
Autoren: Hans Pfeiffer
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Jahren kam er in den Kindergarten, mit Beginn des fünften Schuljahres in ein Heim, von dem aus er die Schule besuchte. Der Elfjährige litt unter dem Leben im Heim. Er fühlte sich abgeschoben, ohne Zuhause. Mit zwölf schickten ihn die Eltern auf ein Internat mit angegliederter Schule. Der freundliche, etwas schüchterne Junge hatte Heimweh. Seiner Lehrerin sagte er einmal, er vermisse die Mutter. Mehrmals verließ er heimlich das Internat und lief nach Langenberg zurück. Aber nun waren die Eltern auch noch mit Hausbau beschäftigt und schickten ihn wieder ins Internat zurück. Mit vierzehn erkrankte er schwer an einer Infektion, die die graue Rückenmarksubstanz, aber auch die Hirnnerven befällt.
    Die Krankheit schien ihn verändert zu haben. Er hatte keine Lust mehr zu lernen, hielt sich meist für sich allein und litt zugleich unter seiner Einsamkeit. Er las viel, meist Abenteuerhefte. Da er sich für Waffen interessierte, schaffte er sich mehrere Schreckschußpistolen an.
    Schließlich hatten die Eltern ein Einsehen und nahmen ihn wieder zu sich. Wie auch immer Krankheit und Pubertät das »Goldkind« innerlich verändert haben mochten, den Eltern fiel es nicht auf. Jürgen hatte mit der achten Klasse die Schulzeit beendet, und für den Vater war es selbstverständlich, daß Jürgen einmal das Geschäft übernahm. Der Junge war auch bereit, eine Fleischerlehre zu beginnen, die er mit der Gesellenprüfung abschloß. Während und nach Abschluß der Lehre arbeitete er im väterlichen Geschäft. Da er das Schlachten der Tiere verabscheute, beschäftigte ihn der Vater im Laden als Verkäufer. Jürgen war gegenüber der Kundschaft locker und fröhlich.
    Niemand ahnte, daß der Siebzehnjährige schon längst ein düsteres Doppelleben führte und in einer zerteilten Welt lebte. Die eine, die Welt der Eltern, die bieder-bürgerliche, die gewinnorientierte, die familiäre, in der die Mutter den Neunzehnjährigen noch selber badet – und die andere Welt, die Welt seiner Phantasien, in der er etwas sucht, was ihm nach seiner Meinung das Leben bisher versagt hat, die Welt unerfüllter Wünsche, die seit der Pubertät immer mehr sexuelle Gestalt angenommen hatten.
    Nein, niemand ahnte, daß der Achtzehnjährige, der dem Essener »Magischen Zirkel« als Mitglied angehörte und im Tanzkurs ein beliebter Tänzer war, nicht nur zahlreiche Sexualverbrechen begangen, sondern schon mehrere Kinder ermordet hatte. Bei den meisten Triebtätern sucht das existentielle Unbefriedigtsein Befriedigung in hypertrophierter Sexualität. Sie ist der Lebensbereich, der Lust statt Frust, Macht statt Ohnmacht, Selbstbestätigung statt Selbstzweifel zu bieten vermag – sofern der Sexualtrieb sich hemmungslos durchsetzt. Triebtäter haben im allgemeinen keinen stärkeren Sexualtrieb als andere Menschen auch. Ihre gewalttätige Sexualität erscheint meist als aggressive Rache für erlittene Demütigung. Diese Demütigung kann selbst sexueller Natur, kann aber auch durch andere widrige Lebenserfahrungen bedingt sein. Bartsch wurde mit acht Jahren von einem älteren Jungen sexuell mißbraucht. Von Anfang an zeigt sich die homosexuelle Prägung seiner Sexualität. Mit vierzehn hatte er erste homosexuelle Beziehungen zu Gleichaltrigen. Er bezahlte sie meist für ihre Dienste, das Geld stahl er aus der Ladenkasse. Aber zur gleichen Zeit lockte er schon Jüngere in den Stollen, schlug sie, zwang sie unter Drohungen zum Sex. Schließlich wurden die Morde zum Höhepunkt seiner sexuell ausgerichteten Machtgier.
    Läßt sich nun die sadistische Perversion seiner Sexualität als »logische Folge seiner Kindheit, als verzweifelter Ausweg aus seiner ausweglosen Situation« (Alice Miller) erklären? Waren Bartschs Kindheit und Jugend ausweglos? Objektiv gesehen überhaupt nicht, im Unterschied zu Tausenden anderer, die trotzdem nicht zu sadistischen Mördern wurden. Auswegloser aber vielleicht für ein sensibles Kind, das ein geordnetes Zuhause, das die Fürsorge der Mutter mehr braucht als andere, das stärker von Heimweh gequält wird, das schwerer Kontakt zu anderen Kindern findet. Sind hier Verletzungen, Demütigungen entstanden? Bartsch selbst behauptet es: »Es gibt wenige Eltern, die ihr Kind so sehr liebten, so sehr ins Herz geschlossen haben. Doch die richtige, die helfende Liebe, die ein Kind braucht, die konnten sie mir nicht geben.« Liegen hier die Wurzeln seiner Enttäuschung? Hat ihn die Einsamkeit im Internat zum Einzelgänger gemacht oder war
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