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Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Titel: Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
Autoren: Hans Pfeiffer
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amerikanische Kriminologe R. Ressler sagt, nicht mehr aufhören zu morden. Sie haben sich dem Zwang zur Serie unterworfen.
    Ich berichte hier über unvorstellbar grauenhafte Morde. Dabei ist meine Rolle weder die des Anklägers noch die des Verteidigers. Jede dieser Rollen ist naturgemäß einseitig. Der Ankläger sucht die Schuld, der Verteidiger die Unschuld eines Täters zu beweisen. Die Wahrheit liegt in der Einheit dieses Widerspruchs. Der Schuld eines Täters für sein Verbrechen steht auch eine Un-Schuld entgegen, ein unverschuldeter Defekt seiner Persönlichkeit, den andere Mächte zu verantworten haben, die gesellschaftlichen und familiären Verhältnisse und ererbte Anlagen.
    Erschreckend an den Serienmördern ist immer wieder, daß sie so lange und so oft ungestört töten konnten. Daher ist auch bei jedem Fall zu fragen, welche gesellschaftlichen und sozialen Mißstände das blutige Handwerk der Täter begünstigten.
    Wenn Schuld auf freier Willensentscheidung des Täters beruht und seine Un-Schuld auf Einwirkungen, für die er selbst nicht verantwortlich ist oder die ihm sein verbrecherisches Handeln erleichtern, dann entspricht der Schuld des Mörders die Unschuld der Gesellschaft und der Schuld der Gesellschaft die Unschuld des Mörders.
    Ich teile die Ansicht Schillers, der Kriminalschriftsteller solle mehr den Gedanken des Täters als seinen Taten Beachtung schenken, mehr den Quellen seiner Gedanken als den Folgen seiner Taten. Deshalb habe ich in die meisten Fälle die subjektive Sicht des Täters einbezogen, wie sie im wesentlichen aus seinen eigenen Äußerungen belegt ist. Ob man damit den wirklichen Motiven näher kommt, bleibt problematisch. Je tiefer der Abgrund, desto dunkler sein Grund.
    Denn nicht nur wir, die diese Morde befremdet und entsetzt zur Kenntnis nehmen, suchen ratlos nach ihren Ursachen. Dem Täter selbst bleiben die Triebkräfte seines Handelns oft ebenso rätselhaft, auch wenn er versucht, sie sich und uns rational verständlich zu machen. Sie sind zu tief im Unterbewußtsein vergraben und verwest, als daß sie unversehrt wieder ins Licht des Bewußtseins gehoben werden könnten.
    Die vier Kapitel dieses Tatsachenberichts ordnen die Fälle nach den subjektiven Motivationen der Täter: Habgier, sozialer Frust, Fetischismus und sexuelle Perversion. Diese Motive treten in Wirklichkeit aber nicht als reiner Typ auf. Die Motive der Serienmörder sind immer komplexer Natur. Ein Hauptmotiv mischt sich mit noch anderen. So war Dahmer beispielsweise sozial Frustrierter, perverser Triebtäter, Fetischist, Kannibale oder Kürten in einer Person Lustmörder, Brandstifter, Tierquäler, Vampir. Die Einteilung der Kapitel folgt also einem mehr publizistischen Prinzip.
    Der Absicht des Buches entsprechend, stehen im Scheinwerferlicht des Interesses die Serienmörder und ihre Demaskierung. Die Opfer bleiben im Schatten. Sie dürfen dabei nicht übersehen, nie vergessen werden.

1. Kapitel

    Die Habgierigen

    Nachtlogis

    An einem Oktobermorgen des Jahres 1828 verläßt Mrs. Hare, Inhaberin eines Gasthauses in Edinburgh, ihr Haus, um auf dem Markt einzukaufen. Während sie noch zwischen den Verkaufsständen umhergeht, um die Preise zu vergleichen, berührt jemand ihren Arm. Sie wendet sich um. Vor ihr steht ein Junge: »Mrs. Hare, haben Sie meine Momie gesehen? Ist mir verlorengegangen.«
    Mrs. Hare lächelt. Der sechzehnjährige Jamie ist schwachsinnig. Seine Äußerungen sind ungewollt komisch und zwingen zu gutmütigem Spott. Gerade deshalb ist der harmlose Bursche bei den Leuten beliebt. Man kann sich einen Spaß mit ihm machen und dabei herrlich überlegen fühlen.
    »Ist dir verlorengegangen?« äfft Mrs. Hare Jamie in weinerlichem Ton nach. Jamie nickt. Mrs. Hare mustert den kräftigen Jungen und blickt sich nach allen Seiten um. Jamies Mutter ist nirgends in Sicht. »Hast du aber ein Glück, Jamie, deine Mom ist bei mir. Komm nur mit. Sie hat dich schon gesucht!«
    Mit leerem Einkaufskorb, Jamie zur Seite, kehrt Mrs. Hare in ihre Gastwirtschaft zurück.
    Am Tresen hockt William Hare, ihr Mann, vor sich eine halbgeleerte Flasche Whisky. Vor zwei Jahren hatte die verwitwete Frau den Hafenarbeiter Hare geheiratet. Obwohl sie nicht daran zweifelte, daß Hare mehr an ihrem Gasthaus als an ihr interessiert gewesen war, verargte sie ihm diese berechnende Absicht längst nicht mehr. Während die Gastwirtschaft nur kümmerliche Einnahmen brachte, verdient Hare jetzt anderweitig das große
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