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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Autoren: Christoph Hardebusch
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letzten Reste der Tageswärme.
    Auf dem Tisch in der Nähe des Kamins hatte Flores ihre Ausrüstung drapiert. In vielen Dingen war sie sich treu geblieben, aber hier und da sah Tamár Anpassungen an ihre selbst gewählte Heimat. Auf ihrer Gürtelschnalle waren zwei geflügelte Stiere Kopf an Kopf abgebildet, und Verzierungen in Form von Federn oder Flügeln bedeckten auch den Gürtel selbst. Aber ihre Rüstung war aus schlichtem Leder, fast gänzlich im Stil der Rüstungen, mit denen sich die Wlachaken in dem Kampf gegen die Masriden geschützt hatten. Noch immer zog Flores Schnelligkeit schwerem Rüstungsschutz vor, obwohl sie sicherlich ebenso wie er die ersten Auswirkungen des Alters spürte. Die Reaktionen waren nicht mehr ganz so schnell, die Bewegungen träger,
der Atem ein wenig kürzer. Auch wenn ihr Haar noch immer schwarz war, wusste er, dass sein eigenes inzwischen mehr silbern als golden war.
    Manchmal brachte Flores ihm Geschenke aus dem Imperium mit, wenn sie ihn besuchte. Verblüffende Gerätschaften oder Zeichnungen von gewaltigen Waffen. Er hatte schon Hörner von seltsamen Tieren gesehen und Bilder von Kreaturen, von denen man in Wlachkis noch nie etwas gehört hatte.
    »Komm zurück«, flüsterte sie. »Lass uns über andere Dinge reden.«
    Seufzend kam er der Aufforderung nach.
    »Wie steht es um euer Verhältnis zum Kleinen Volk?«
    »Unverändert. Manchmal treffen ihre Handelskarawanen in der Stadt ein. Turduj ist immer noch ihr erster Anlaufpunkt. Sie bringen ihre Waren und kaufen vor allem Holz.«
    »Ob sie noch Krieg gegen die Trolle führen?«
    Tamár zuckte mit den Achseln. Von den gewaltigen Kreaturen war nach dem Bürgerkrieg keine mehr an der Oberfläche aufgetaucht, und der Masride konnte nicht sagen, dass er ihr Fortbleiben bedauerte. »Sie erwähnen nichts von ihrem Leben unter Tage.«
    Einige Sätze redeten sie noch weiter, doch es war nicht genug, um die Kluft zu überbrücken, die Tamár in sich selbst spürte.
    »Ich habe lange gewartet«, platzte es schließlich aus ihm heraus.
    »Wir beide«, korrigierte sie ihn.
    »Wir beide. Ich habe keine Lust mehr, weiter zu warten.«
    »Wir haben keine Wahl, Tamár. Ich bin nur wenige Tage im Jahr hier, aber selbst in dieser Zeit bemerke ich, dass die Wunden nicht verheilt sind, die all der Hass unseren Völkern geschlagen hat. Auf dem Weg hierher habe ich
eine Geschichte gehört, dass ein Wlachake von Masriden in seinem Haus verbrannt wurde, weil er angeblich einen Esel gestohlen hatte. Das Tier war bloß davongelaufen, aber der Mann ist tot.«
    Tamár seufzte »Solche Dinge geschehen noch immer, ja. Aber vielleicht würden die Wunden des Landes besser heilen, wenn wir uns gemeinsam darum bemühen würden? Wenn wir den Menschen zeigen, dass es einen anderen Weg gibt? Wenn wir zusammen …«
    »Ich hätte es nicht ausgehalten«, fiel sie ihm rüde ins Wort. »In deiner Nähe zu sein, aber nicht bei dir sein zu dürfen. Ich konnte nicht. Es war besser so.«
    »Ich …«
    »Haben wir das nicht oft genug besprochen? Dein Volk würde mich niemals an deiner Seite dulden, nicht nach den Kriegen. Damals nicht und auch heute nicht.«
    Wütend suchte Tamár nach Worten, die es nicht geben konnte. Es widerstrebte ihm aufzugeben, doch sie hatten dieses Gespräch wahrlich oft genug geführt. Jedes Jahr des Friedens hoffte Tamár, dass Wlachaken und Masriden ihren jahrhundertealten Hass überwinden würden, doch stets wurde er enttäuscht.
    Er mochte Şten cal Dabrân nicht besonders und respektierte ihn nur widerwillig, doch der Voivode und er hatten schon in vielen Dingen zusammenarbeiten müssen, um das Verhältnis der beiden gespaltenen Landesteile zu verbessern. Aber für jeden Schritt, den sie gemeinsam vorwärts gemacht hatten, gab es einen zurück. Zu tief saßen die Gefühle der Ablehnung und der Angst bei den einfachen Leuten, und immer wieder traten sie in all ihrer Hässlichkeit an die Oberfläche.
    »Ich wäre bereit, es zu versuchen, und ich scheiße darauf, was andere denken«, knurrte er endlich.
    Unvermittelt lächelte Flores. »Vielleicht habe ich mich deshalb damals in dich verliebt: weil du selbst im
Angesicht der sicheren Niederlage niemals aufgegeben hast.«
    Ihr Lächeln ließ die Wut aus ihm verschwinden, als ob sie die Feuer in seinem Herzen einfach ausgeblasen hätte.
    »Ich meine es ernst.«
    »Ich weiß. Darum komme ich immer wieder. Und weil ich selbst immer noch auf eine Veränderung hoffe. Am Ende habt ihr mich doch so
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