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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Autoren: Christoph Hardebusch
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versinken.
    Ohne Hast ritt er in die Klamm hinab, entlang des Sees, bis er zu dem Haus kam, das an dessen Ufer lag.
    Früher war es eine einfache Schutzhütte gewesen, kaum mehr als ein Verschlag zum Schutz vor den Elementen, aber inzwischen hatte Tamár an ihrer Stelle ein festes Gebäude errichtet, an das sich sogar ein kleiner Stall schmiegte. Dorthin führte Tamárs Weg zuerst, und als er das Pferd darin erblickte, lächelte er froh. Trotz allem nahm er sich die Zeit, Szeg abzusatteln, abzureiben und ihm einen Eimer Hafer hinzustellen. Erst als sein Pferd versorgt war, klopfte Tamár ihm noch einmal auf die Schulter und lief dann zum Eingang des Hauses. Inzwischen stieg aus dem Schornstein Rauch auf, und ein exotischer Geruch lag in der Luft wie von brennenden Kräutern.
    Als der Masride durch die Tür schritt, sah Flores vom Herd auf, den sie eben mit neuem Holz bestückt hatte. Ein Topf mit schwach dampfendem Wasser stand darauf.
Die Hütte war schlicht, beinahe spärlich eingerichtet, mit einem breiten Bett, einem einfachen Holztisch und einigen Gerätschaften, die an Nägeln an den Wänden hingen.
    »Du kommst spät«, stellte die dunkelhaarige Wlachakin trocken fest. »Ist dein alter Gaul endlich unter dir zusammengebrochen?«
    »Szeg steht in der Blüte seiner Jahre«, entgegnete Tamár mit gespielter Empörung. »Lass ihn nicht hören, dass du ihn einen alten Gaul nennst.«
    »Verzeih, ich verwechsele ihn immer mit seinem Großvater. Muss am Namen liegen.«
    »Szeg ist ein guter Name für ein Pferd.«
    »Nicht sehr einfallsreich, aber in euren masridischen Dickschädeln ist ja auch kein Platz dafür.«
    Ihr Lächeln ließ sein Herz immer noch einen Schlag aussetzen. Er machte einen raschen Schritt auf sie zu und umfasste ihre Taille. »Du bist früh hier angekommen«, sagte er leise, während er sie an sich zog und die weiche Haut an ihrem Hals küsste.
    »Stimmt. Ich habe mich beeilt, weil das Wetter schlechter wurde. Ich wollte nicht auf dem Pass von einem Gewitter überrascht werden. So wie es aussieht, werde ich diesmal wohl einige Tage länger bleiben, bis die Geister sich da oben ausgetobt haben.«
    »Vielleicht sollte ich ihnen doch mehr Respekt und Dankbarkeit zollen«, murmelte Tamár. Ihre Nähe erinnerte ihn daran, wie jung sie gewesen waren, als sie sich zum ersten Mal geküsst hatten – und unter welch widrigen Bedingungen dies geschehen war.
    Sein Atem ging aber auch jetzt schwer, und er genoss ihren Geruch, das Gefühl ihrer Haare auf seiner Haut. Der schmale Graben, den ihre Trennungen stets aufrissen, verschwand mit dem ersten Kuss.
    »Gut, dass du da bist«, flüsterte Flores, nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und küsste ihn sanft. Und wie
immer, wenn sie sich nach Monaten der Trennung wieder trafen, dauerte es nicht lang, bis sie gemeinsam auf das weiche Lager sanken. Heute hatten sie mehr Zeit, sich ihrer Kleidung zu entledigen, als in ihrer ersten Nacht vor so vielen Jahren, doch wie Tamár immer wieder erstaunt feststellte, war sein Verlangen nach ihr noch immer genauso groß.
     
    Vorsichtig nippte Tamár an dem dampfenden Getränk, das Flores zubereitet hatte. Es schmeckte ebenso fremdartig, wie es roch. Würzig und zugleich fruchtig, nicht unangenehm, wohl aber ungewohnt. Flores lachte ob seiner skeptischen Miene.
    »Es beißt nicht. Versprochen!«
    »Und so etwas trinkt man im Imperium?«
    »Manchmal. Es gilt als Delikatesse und ist nicht billig. Aber ich hätte mir denken können, dass ein hinterwäldlerischer Banause …«
    »He!«, unterbrach sie Tamár. »… dass ein hinterwäldlerischer Banause so etwas Feines nicht zu schätzen weiß.«
    »Ich schätze es ja. Durchaus. Sehr sogar. Wirklich. Ich bin dir dankbar.«
    Sie zog die Augenbrauen zusammen, während Tamár versuchte, so treu und ehrlich wie möglich zu schauen. Obwohl der größte Teil ihres Körpers von der Decke verhüllt war, blieb genug nackte Haut sichtbar, um seine Vorstellungskraft sofort wieder anzuheizen. Hätte man ihm vor zwanzig Jahren gesagt, dass er jemals nur noch eine Frau begehren würde, hätte er vermutlich laut gelacht. Inzwischen hatte er es als einfache Tatsache akzeptiert. Selbst die vielen, langen Trennungen hatten das Feuer in ihm nicht gelöscht, sondern es vielmehr noch angefacht. Und jedes Mal, wenn sie sich für einige wenige Tage sahen, fühlte er sich wieder wie der junge, von sich selbst
eingenommene Bengel, der sich zu seinem eigenen Entsetzen in eine Wlachakin verliebt hatte.
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