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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Autoren: Christoph Hardebusch
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dies tun!«
    »Ich wage es, und ich tue es auch«, entgegnete Ionnis
ruhiger. »Wenn du die Wahrheit nicht verträgst, ist das nicht meine Schuld.«
    Mit größter Mühe zwang sich Natiole zur Ruhe und zu einem Lächeln. »Du liebst die Dyrier mehr als dein eigenes Volk, also mach mir keine Vorhaltungen über meine Pflichten oder unser Haus. Wenn du könntest, wärst du doch schon längst über alle Berge!«
    »Ich achte das Imperium für seine Errungenschaften. Und ja, es täte Wlachkis gut, wenn wir dorthin schauen und von den Dyriern lernen würden. Aber ich kenne meine Wurzeln und meine Familie. Ich ehre sie«, erwiderte Ionnis. Kurz schwieg er, bevor er fortfuhr: »Wenn du dich schon nicht für mich oder für Vater zusammenreißen kannst, dann tu es wenigstens für das Andenken unserer Mutter.«
    Einige Momente lang dröhnte das Blut in Natioles Ohren wie ein Wasserfall.
    »Verschwinde hier«, zischte er dann kalt. »Ich muss meine Kleidung wechseln.«
    Mit einer gekünstelten Verbeugung wandte Ionnis sich ab, drehte sich aber noch einmal kurz um: »An deiner Stelle würde ich meine Diener übrigens besser behandeln. Wer weiß, in wessen Diensten sie noch stehen?«
    »Was?«
    »Nun, für viele mag es praktisch sein, ein Auge auf den Thronprinzen und künftigen Voivoden des Landes zu haben. Und wer erfährt mehr als ein Diener? Ich wäre vorsichtiger in seiner Gegenwart, wenn ich von deiner Gesellschaft nicht ohnehin mehr als genug hätte.«
    Ohne ein weiteres Wort verschwand Ionnis und ließ Natiole sprachlos zurück. Zuerst brannte der Zorn weiter in ihm, und in seinem Geist jagten geschickte, treffliche Erwiderungen umher, für die es jedoch zu spät war. Aber dann sah er unsicher zu seiner Kammer hinüber, wo Oanes vermutlich auf ihn wartete. Lässt er sich von jemandem bezahlen,
um mich auszuspionieren? Unsinn! Ionnis will mich nur ärgern.
    Dennoch blieb ein ungutes Gefühl zurück, als er zu seinem Diener ging und sich beim Ausziehen der hohen Lederstiefel helfen ließ.

3
    Besorgt blickte Tamár zum Himmel. Über den Nördlichen Sorkaten ballten sich dunkelgraue Wolken zusammen, rieben sich an den hohen Bergwänden und türmten sich hoch in den Himmel auf. Das unbeständige Gebirgswetter konnte die ohnehin nur schwer gangbaren Pässe für Tage oder auch Wochen blockieren, selbst in den milderen Jahreszeiten. Im Winter jedoch war jeder Versuch, die Berge zu überqueren, zum Scheitern verurteilt.
    Sein Volk hatte dies nach dem Sieg über die Wlachaken schmerzhaft erkennen müssen. Für volle fünf Jahre waren die Hochpfade für ihre Armee durch Schnee und Regen unpassierbar geblieben, so dass für die Masriden und ihre szarkischen Verbündeten aus einem Raubzug eine Eroberung wurde. Fast dreihundert Jahre lang hatten Tamárs Vorfahren geherrscht, bis die Wlachaken in ihrer letzten Revolte Teile ihres Landes zurückerobert hatten. Noch immer fiel es dem Masriden schwer, sich an diese Sicht der Dinge zu gewöhnen; zu lange hatte er im sicheren Glauben an die Rechtmäßigkeit des Herrschaftsanspruchs der Masriden gelebt. Aber ein Mann kann sich nur so lange von einer Frau Schelte einfangen, bis er seine Meinung ändert,
    dachte er amüsiert.
    Bei dem Gedanken an Flores schaute er wieder zu den Bergen empor, deren Anblick ihn sein Leben lang begleitet hatte. Unwillkürlich trieb er sein Pferd zur Eile an, auch wenn das kaum verhindern mochte, dass sich dort oben ein Gewitter entladen würde.
    Die Wlachaken glaubten, dass die Geister der Berge sich dann mit den Geistern der Luft stritten, und beide waren
nicht für ihren pfleglichen Umgang mit einfachen Sterblichen bekannt. Und auch wenn Tamár wusste, dass dies wenig mehr als Aberglauben war und dass die Welt vom Göttlichen Licht geordnet wurde, konnte er diese Gedanken verstehen. Unwetter in den Bergen waren nicht selten von einer mörderischen Gewalt, der Menschen nichts entgegenzusetzen hatten.
    Mit diesen finsteren Gedanken im Geist erreichte er sein Ziel. Ein kleines Tal, unterhalb der Baumgrenze gelegen, abseits von den wichtigen Wegen in einer Region, die nur spärlich besiedelt war. Der ansonsten dichte Wald des Landes lichtete sich in dieser Höhe bereits, und zwischen den Bäumen funkelte das Wasser eines kleinen Sees. Der Kontrast zwischen dem von der Sonne beschienenen Tal und den grauen Gewitterwolken faszinierte Tamár. Noch brachen Strahlen durch Lücken in den Wolken, aber schon bald würde die Sonne zu tief stehen und das Land in Dunkelheit
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