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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb
Autoren: Terry Pratchett
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unterschiedlich großen Eimern experimentiert, dabei primitive Uhren konstruiert, nach denen man fast, nun, die Uhr stellen konnte. Es gab kaum etwas dagegen einzuwenden, dass sie nicht sehr genau gingen. Immerhin handelte es sich um einfache, organische Dinge, um Parodien der Zeit. Sie kratzten nicht an seinen Nerven. Aber eine richtige Uhr… Sie war ein Mechanismus, ein Etwas aus Zahlen, und Zahlen mussten perfekt sein.
    Die Frau neigte erneut den Kopf zur Seite. »Wie misst du eine solche Genauigkeit?«
    Das hatte man ihn oft in der Gilde gefragt, als sich sein Talent zeigte. Auch damals war er nicht in der Lage gewesen, die Frage zu beantworten, denn sie ergab keinen Sinn. Man baute eine Uhr, damit sie genau ging. Ein Porträtmaler malte ein Porträt. Wenn es wie die betreffende Person aussah, so war es ein genaues Bild. Wenn man die Uhr richtig baute, so ging sie genau. Man brauchte nichts weiter messen. Man wusste es.
    »Ich weiß es einfach«, sagte Jeremy.
    » Wir möchten eine Uhr, die sehr genau geht.«
    »Wie genau?«
    »Genau.«
    »Der Genauigkeit sind durch die verwendeten Materialien Grenzen gesetzt«, erklärte Jeremy. »Ich habe… gewisse Techniken entwickelt, aber es gibt Dinge wie… Vibrationen vom Straßenverkehr, geringfügige Temperaturschwankungen und so weiter.«
    Lady LeJean betrachtete einige dicke, von Kobolden betriebene Uhren. Sie griff nach einer davon und öffnete die Klappe an der Rückseite. Ein kleiner Sattel und Pedale wurden sichtbar, aber niemand saß dort.
    »Keine Kobolde?«, fragte die Frau.
    »Ich behalte sie allein aus historischem Interesse«, sagte Jeremy. »Sie gingen pro Minute einige Sekunden vor oder nach, und nachts blieben sie ganz stehen. Solche Uhren taugen nur etwas, wenn die eigene Vorstellung von Genauigkeit auf ›gegen zwei‹ hinausläuft.« Bei diesen Worten schnitt er eine Grimasse. Sie fühlten sich an wie Fingernägel auf einer Schiefertafel.
    »Was ist mit Invar?«, fragte die Frau und sah sich weiterhin im Uhrmuseum um.
    Jeremy wirkte schockiert. »Die Legierung? Bisher dachte ich, dass nur Gildenmitglieder darüber Bescheid wissen. Sie ist sehr teuer und weitaus mehr wert als ihr Gewicht in Gold.«
    Lady LeJean straffte die Gestalt. »Geld spielt keine Rolle«, sagte sie. »Würde Invar es dir ermöglichen, eine Uhr mit absoluter Genauigkeit zu konstruieren?«
    »Nein. Ich verwende die Legierung bereits. Es stimmt schon, unterschiedliche Temperaturen beeinflussen sie nicht, aber es gibt immer… Barrieren. Immer kleinere Störungen führen zu immer größeren Problemen. Das ist Xenos Paradoxon.«
    »Ah, ja. Der ephebianische Philosoph, der behauptete, man könnte einen laufenden Mann nicht mit einem Pfeil treffen?«, erwiderte die Lady.
    »Rein theoretisch, weil…«
    »Wenn ich mich recht entsinne, entwickelte Xeno vier Paradoxa«, sagte Lady LeJean. »Es ging dabei um die Vorstellung, dass es so etwas wie eine kleinste, nicht mehr teilbare Zeiteinheit gibt. Sie muss existieren, nicht wahr? Denk an die Gegenwart. Sie muss eine Länge haben, denn das eine Ende ist mit der Vergangenheit verbunden und das andere mit der Zukunft. Wenn die Gegenwart keine Länge hätte, wäre sie überhaupt nicht möglich. Es gäbe keine Zeit, in der sie existieren könnte.«
    Jeremy steckte plötzlich voller Liebe. Er entsann sich, dass er nur einmal auf diese Weise empfunden hatte: als er im Alter von vierzehn Monaten die Rückseite der Kinderzimmeruhr geöffnet hatte.
    »Du meinst das… berühmte ›Ticken des Universums‹«, sagte er. »So kleine Zahnräder lassen sich nicht herstellen…«
    »Kommt darauf an, was man unter Zahnrädern versteht. Hast du dies gelesen?«
    Lady LeJean winkte einem der beiden Trolle zu. Der setzte sich sofort in Bewegung und legte ein rechteckiges Paket auf den Tresen.
    Jeremy öffnete es und fand darin ein kleines Buch. » Grimmige Märchen ?«, fragte er.
    »Lies die Geschichte über die gläserne Uhr von Bad Schüschein«, sagte Lady LeJean.
    »Märchen für Kinder?«, brachte Jeremy hervor. »Was können sie mir mitteilen?«
    »Wer weiß?«, erwiderte Lady LeJean. »Morgen kehren wir zurück, um von deinen Plänen zu erfahren. Bis dahin… Hier ist ein kleines Zeichen unseres guten Glaubens.«
    Der Troll legte einen recht großen Lederbeutel auf den Tresen, und darin erklang das volle, satte Klimpern von Gold. Jeremy achtete kaum darauf. Er hatte ziemlich viel Gold. Selbst geschickte Uhrmacher kauften seine Uhren. Gold war
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