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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb
Autoren: Terry Pratchett
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halbem Weg nach oben.
    »Uh…«, begann Vincent und zögerte. »Das ergibt keinen Sinn, Fräulein…«
    »Fragen müssen keinen Sinn ergeben, Vincent«, erwiderte Fräulein Susanne. »Wohl aber Antworten.«
    Eine Art Seufzer kam von Penelope. Fräulein Susanne beobachtete überrascht die Veränderung in dem Gesicht, das den Vater des Mädchens eines Tages veranlassen würde, Leibwächter zu engagieren. Es verließ die Sphäre des glücklichen Tagtraums und wickelte sich um eine Antwort. Eine Alabasterhand kam nach oben.
    Die Klasse beobachtete das Geschehen erwartungsvoll.
    »Ja, Penelope?«
    »Ist es…«
    »Ja?«
    »Ist es immer überall jetzt, Fräulein?«
    »Ja. Richtig! Ausgezeichnet. Du bekommst einen silbernen Stern, Vincent. Und Penelope…«
    Fräulein Susanne kehrte zum Schrank mit dem Schreibmaterial zurück. Penelope hatte bereits einen Stern verdient, wenn sie lange genug von ihrer Wolke herunterkletterte, um eine Frage zu beantworten. Doch eine bedeutungsvolle philosophische Bemerkung musste mit einem goldenen Stern belohnt werden.
    »Ich möchte, dass ihr alle eure Notizhefte aufschlagt und das niederschreibt, was uns Penelope gerade mitgeteilt hat«, sagte Fräulein Susanne munter und nahm Platz.
    Und dann sah sie, wie das Tintenfass auf dem Pult wie Penelopes Hand in die Höhe kam. Es bestand aus Keramik und hatte genau die richtige Größe für ein rundes Loch im Holz. Es schwebte nach oben, und wenige Sekunden später stellte sich heraus, dass es auf dem Kopf des Rattentods ruhte.
    Er zwinkerte Fräulein Susanne mit einer blau glühenden Augenhöhle zu.
    Sie sah nicht einmal nach unten, als sie mit einer Hand das Tintenfass beiseite stieß und mit der anderen nach einem dicken Buch griff. Es knallte mit solcher Wucht auf das Loch im Holz, dass blauschwarze Tinte aufs Kopfsteinpflaster spritzte.
    Susanne hob die Klappe und spähte ins Innere des Pults.
    Natürlich entdeckte sie dort nichts. Zumindest nichts Makabres…
    … abgesehen von einem Stück Schokolade, an dem eine Ratte geknabbert hatte und einem Zettel mit gotischer Schrift, die folgende Botschaft verkündete:
    KOMM ZU MIR.
    Die Unterschrift bestand aus einem vertrauten Alpha-und-Omega-Symbol sowie dem Wort
    GROSSVATER.
    Susanne griff nach dem Zettel, zerknüllte ihn und spürte dabei, dass sie vor Wut zitterte. Wie konnte er es wagen ? Und obendrein hatte er auch noch die Ratte geschickt!
    Sie warf die Papierkugel in den Abfallkorb. Nie verfehlte sie das Ziel. Manchmal bewegte sich der Korb, damit sie ihn traf.
    »Und jetzt sehen wir nach, wie spät es in Klatsch ist«, sagte sie zu den wartenden Kindern.
    Das Buch auf dem Pult hatte sich an einer bestimmten Stelle geöffnet. Und später würde die Zeit für eine Geschichte kommen. Und Fräulein Susanne würde sich zu spät fragen, warum ein Buch, das sie nie zuvor gesehen hatte, auf ihrem Pult lag.
    Und der Fleck aus blauschwarzer Tinte verblieb auf dem Kopfsteinpflaster des Platzes in Gennua, bis ihn der Abendregen wegwusch.
     
    Tick
     
    Wenn jemand in den abgelegenen, von Gongschlägen und Yetis heimgesuchten Tälern unweit der Scheibenweltmitte nach Erleuchtung sucht, so stehen die ersten Worte, die der Betreffende liest, in Das Leben des ewig überraschten Wen.
    Und die erste Frage des Lesers lautet: »Warum war er ewig überrascht?«
    Und dann erfährt er: »Wen dachte über die Natur der Zeit nach und begriff, dass das Universum von Augenblick zu Augenblick neu erschaffen wird. Deshalb, so wurde ihm klar, gibt es in Wahrheit gar keine Vergangenheit, nur die Erinnerung daran. Man zwinkert, und die Welt, die man danach sieht, existierte noch nicht, als die Augen geschlossen waren. Deshalb, so schlussfolgerte Wen, kann es für das Bewusstsein nur einen angemessenen Zustand geben: Überraschung. Und der einzige angemessene Zustand für das Herz ist Freude. Den Himmel, den man jetzt sieht, hat man noch nie zuvor gesehen. Der perfekte Moment ist jetzt. Freu dich darüber.«
    Die ersten Worte, die der junge Lu-Tze las, als er in der dunklen, hektischen und regennassen Stadt Ankh-Morpork nach Verblüffung suchte, lauteten: »Zimmer zu vermieten, bequem und billig.« Er freute sich darüber.
     
    Tick
     
    Wo sich das Land für Getreide eignet, werden die Bewohner Bauern. Sie kennen den Geschmack von gutem Boden und bauen Getreide an.
    Wo sich das Land für Stahl eignet, lassen Hochöfen den Himmel des Nachts so rot glühen wie beim Sonnenuntergang. Die Hämmer ruhen nie. Sie stellen
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