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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann
Autoren: Alexandra Potter
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sind die denn heute alle?«, fragt der Kerl mit starkem irischen Akzent, während sein Blick durch das Büro schweift und die leeren Schreibtische mit den Resten verstreuter Weihnachtsdekoration streift.
    »Die sind beschäftigt … mit Verlobungen … Flitterwochen auf Bali … Henna-Partner-Tattoos …«
    Verwirrt runzelt er die Stirn. »Henna-Tattoos?«
    »Entschuldigung, achte einfach nicht auf mich.« Ich wedele die Frage beiseite, ringe mir ein Lächeln ab und nehme das Päckchen von ihm entgegen. »Danke …«
    »Fergus«, hilft er mir ungefragt auf die Sprünge.
    »Ach ja, stimmt … Fergus«, entgegne ich.
    Er gehört zu den Fahrradkurieren, die regelmäßig für uns fahren. Ich habe ihn schon oft rein- und rausgehen sehen, aber noch nie ein Wort mit ihm gewechselt, bis auf das eine oder andere Mal, wenn Kym, unsere Empfangsdame, sich gerade das Näschen puderte und ich eine dringende Lieferung entgegennehmen musste. Früher waren Motorradkuriere und Lieferwagenfahrer für unser Unternehmen tätig, aber seit ungefähr einem halben Jahr ist Richard, unser Vorstandschef, auf dem Ökotripp, weshalb er ein Rundschreiben aufgesetzt hat, in dem wir alle aufgefordert wurden, »Muskel- statt Motorenkraft« einzusetzen, und seitdem engagieren wir eben Fahrradboten.
    »Ganz toll«, entgegnet Fergus fröhlich. »Hatte beinahe eine kleine Auseinandersetzung mit einem Porschefahrer, der seinen Arsch nicht vom Anlasser unterscheiden konnte, aber davon abgesehen …« Er nimmt den Helm ab und fährt sich mit der Hand durch die wuscheligen schwarzen Haare. Nun sehe ich auch sein Gesicht zum ersten Mal und merke, dass er eigentlich ganz gut aussieht. »Und selbst …?« Er zieht eine Augenbraue hoch und wirft einen Blick auf das Namensschildchen auf meinem Schreibtisch. »Tess Connelly.« Dann schaut er auf und grinst mich schelmisch an.
    »Ach, ganz gut«, flunkere ich und fange an, emsig die Unterlagen auf meinem Schreibtisch zusammenzuräumen. Ich habe ihn schon mit sämtlichen Mädels am Empfang flirten sehen und werde ganz bestimmt nicht auf seinen jungenhaften Charme reinfallen. »Viel zu tun.«
    »Ja, genau«, nickt er und schaut sich dann zweifelnd in dem leeren Büro um.
    »Ja, ich hatte den ganzen Nachmittag noch keine Atempause«, erkläre ich herablassend.
    Was eine schamlose Lüge ist. Es gibt rein gar nichts zu tun. Zwischen Weihnachten und Neujahr ist hier tote Hose, weil die meisten Menschen freihaben, vor allem, da in den oberen Stockwerken gerade ein wenig renoviert wird. Ich habe mich freiwillig bereit erklärt herzukommen und gehofft, mich mit der Arbeit ein bisschen ablenken und auf andere Gedanken bringen zu können, damit ich nicht die ganze Zeit mit Fiona auf dem Sofa hocke, Nachmittagstalkshows anschaue und mich durch die riesengroße Dose Quality-Street-Konfekt futtere, die sie von ihren Großeltern zu Weihnachten geschickt bekommen hat.
    Aber das muss ich diesem frechen irischen Fahrradkurier ja nicht unbedingt auf die Nase binden, denke ich, greife zu einem Blatt Papier und tue, als studierte ich es eifrig. »Ach, da schau an, ein wichtiges Fax von einem unserer Kunden in Brasilien.«
    Sie sehen, zumindest bin ich ganz gut darin, den Anschein zu erwecken, ich sei eine superemsige Assistentin.
    »Was heißt denn Bauch, Beine, Po?«, fragt er und späht mir neugierig über die Schulter.
    »Was?« Entsetzt stiere ich das »wichtige« Fax an, nur um erkennen zu müssen, dass es sich um eine Liste jener Aerobic- kurse handelt, für die ich mich immer schon mal anmelden wollte. Wobei wollte hier das entscheidende Schlüsselwort ist. Aber jetzt, wo das neue Jahr quasi vor der Tür steht, bin ich wild entschlossen, das in meine guten Vorsätze einzuschließen. »Oh … ähm … das ist ein neuer brasilianischer Rum«, stammele ich.
    »Ach, hör doch auf«, meint Fergus grinsend, und seine grünen Augen blitzen vor Staunen. »Im Ernst?«
    »Tja, du weißt doch, wie die Brasilianer so sind«, stottere ich und verschränke unter dem Schreibtisch die Finger. »Die sind völlig körperbesessen. Ich meine, schau dir doch nur mal Gisele an …«
    »Wow, man lernt doch nie aus, was?«
    »Ähm … genau«, meine ich und weiche seinem Blick aus.
    »Stell dir mal vor, man bestellt den im Pub – ich hätte gern einen Bauch, Beine, Po.« Er lacht heiser und schüttelt den Kopf. »Herrje, das muss ich meinen Kumpels in Dublin erzählen.«
    Ach, verflucht, ich und meine große Klappe.
    »Und, warst du an Weihnachten zu
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