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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann
Autoren: Alexandra Potter
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denn erwartet?«, schnaufe ich und knalle meine Tasche auf das Tischchen im Flur. Flea, unser gescheckter Kater, erscheint auf der Bildfläche und streicht mir laut schnurrend um die Beine. Ich hebe ihn hoch, kraule ihn unter dem Kinn, und plötzlich trifft es mich wie ein Schlag: O nein! Womöglich hat sie einen der Kerls, mit denen sie sich in letzter Zeit getroffen hat, auch zu der Party eingeladen.
    Im Geiste gehe ich die Liste jener Herren durch, die diese Wohnung in den vergangenen Monaten gesehen haben: Da war Karl, der Diplomat, der gut zwei Meter groß war und sich den Kopf so heftig am Türrahmen der Küche angeschlagen hat, dass er beinahe k.o. gegangen wäre; Gavin, der Gedichte schrieb, die er uns unbedingt vortragen musste; Carlos, der Spanier, der kam, um mit ihr essen zu gehen, auf der Couch einen Joint rauchte und prompt tief und fest einschlief …
    Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht mehr an alle erinnern. Nachdem sie jahrelang recht erfolglos Männer auf die altmodische Art kennenlernte, hat Fiona vor einiger Zeit das Online-Dating für sich entdeckt, und seitdem nimmt ihr Männerverschleiß geradezu alarmierende Ausmaße an.
    Ich lausche auf eine Erwiderung, aber sie antwortet mir nicht.
    Ach du lieber Himmel, sag mir bitte nicht, dass der Kerl jetzt schon da ist . Tja, es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass ich nichtsahnend in die Küche spaziere und plötzlich einem halbnackten Mann in Boxershorts gegenüberstehe.
    »Fi…«, frage ich leise. Ich spitze die Ohren und lausche auf verräterische Geräusche, die auf Sie-wissen-schon-was in ihrem Schlafzimmer hindeuten könnten. Ich höre es rascheln. Vorsichtig stecke ich den Kopf um die Ecke und spähe den Flur entlang. »Bist du … ähm … angezogen?«
    Ein lauter Rums, und dann wird ihre Tür abrupt aufgerissen.
    »Ta-daahh!«
    Flea jault schrill auf und springt mir entsetzt vom Arm. Aber statt eines fremden Manns in Boxershorts steht da Fiona in einem Krankenschwesternkostüm.
    »Was meinst du?« Sie dreht auf den schwindelerregend hohen Absätzen eine kleine Pirouette. »Das ist mein Kostüm für die Party heute Abend«, erklärt sie und fummelt an ihrem Schwesternhäubchen herum. Das sitzt auf ihren blonden Haaren, die mit Strähnchen, Lockenstab und Haarspray traktiert worden sind.
    Kaum vorzustellen, dass sie erst kürzlich in einem Artikel zum Thema Haarpflege geschrieben hat, es sei an der Zeit, »all die chemischen Pflegemittelchen und Färbeprodukte« rauszuwerfen und zur Natur zurückzukehren .
    »Was ziehst du denn an?«, fragt sie und schaut mich erwartungsvoll an.
    Irritiert starre ich sie an, und ganz langsam kommt eine vage Erinnerung daran zurück, was sie mir über die Party erzählt hat: »Riesenterrasse mit umwerfender Aussicht … arbeitet bei Moët, also gibt es kübelweise Champagner … auf der Einladung steht, wir sollen uns kostümieren …«
    Mir rutscht das Herz bis in die Kniekehlen.
    »Du hattest doch nicht etwa vergessen, dass es eine Kostümparty ist, oder?«
    »Ähm, nein, also, nicht direkt …«, stammele ich, aber sie fällt mir gleich ganz aufgeregt ins Wort.
    »Dann lass mich hier nicht so zappeln, was ziehst du an?« Womit sie sich zur Einbau-Mikrowelle umdreht, ihr Spiegelbild darin begutachtet und noch eine neue Schicht Lipgloss aufträgt.
    »Tja, also, es ist so, eigentlich wollte ich eine Jeans anziehen, ich meine, das fällt doch bestimmt nicht weiter auf …«, argumentiere ich, während ich meinen Mantel abstreife und über die Stuhllehne hänge.
    »Tess!« Empört nach Luft schnappend schaut sie mich an. »Du kannst doch nicht in Jeans da hingehen! Es ist Silvester!«
    »Wieso darf man denn an Silvester keine Jeans tragen?«, frage ich, aber sie bedenkt mich nur mit einem finsteren Blick. Den Blick kenne ich. So hat sie auch den Klempner angeschaut, als der uns letzten Winter mitteilte, er könne den Boiler nicht sofort reparieren. »Tut mir leid, Mädels, da müsst ihr halt kalt duschen, bis ich das Ersatzteil bestellt habe.« Sie sagte kein Wort – doch das brauchte sie auch nicht. Nicht bei dem Blick.
    Ich sage nur so viel: Er hat den ganzen Nachmittag unseren uralten Kombiboiler auseinandergenommen und wieder zusammengebaut, und sie hat den ganzen Abend in einem heißen Schaumbad gelegen.
    »Aber du musst ein Kostüm anziehen«, sagt sie. »Schließlich ist es eine Kostümparty.«
    Das ist meine Rettung! »Da hast du natürlich vollkommen recht«, erkläre ich todernst. »Ich habe
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