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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann
Autoren: Alexandra Potter
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einige der Nachbarn sind ein wenig sonderbar. Fiona hat sich hier schon vor Jahren mit dem Geld aus der Erbschaft von einer alten Tante eine Wohnung gekauft, die im vierten Stock ohne Aufzug liegt, dringend mal wieder gestrichen werden müsste und leider ein wenig zu klein und vollgestopft ist.
    Was allerdings, um ganz ehrlich zu sein, sehr gut zu Fiona passt.
    Wirklich, sie ist ganz genau wie ihre Wohnung. Von außen sehr beeindruckend, aber wenn man hinter die Fassade blickt, ist sie genau das Gegenteil. Nach außen ist sie eine erfolgreiche Journalistin, die hauptsächlich über Schönheits- und Gesundheitsthemen schreibt, mit einer eigenen Kolumne in einer überregionalen Zeitschrift. Darin lässt sie sich dann regelmäßig über die Vorzüge von regelmäßiger Bewegung, drei ausgewogenen Biomahlzeiten am Tag und Sonnenschutzfaktor 45 aus. Für die, die einen Blick hinter diese schöne Fassade werfen – sprich ich –, tippt sie ihre Artikel im Pyjama an unserem Küchentisch, raucht zwanzig Zigaretten am Tag, und wenn sie sich nicht gerade beim ersten Sonnenstrahl von Kopf bis Fuß mit Hawaiian-Tropic-Sonnenöl einschmiert, versucht sie gerade vermittels der einen oder anderen irren Trenddiät ein paar Kilo abzunehmen.
    Wie oft habe ich schon versucht, ihr zu erklären, dass sie wunderbar ist, genau so wie sie ist, aber sie hört einfach nicht auf mich. Letzten Monat hat sie sich ausschließlich von Tom-Yam-Suppe ernährt. »Das ist die Kohlsuppendiät für das neue Jahrtausend«, hatte sie mir begeistert erklärt, »nur ohne Blähungen«, und war dreimal die Woche zum Thailänder gepilgert, um riesige Bottiche der trüben Brühe zu besorgen. Wobei das wohl auch als regelmäßige Bewegung zählt.
    Fiona ist meine älteste und engste Freundin. Mit elf Jahren haben wir uns in der Schule kennengelernt, und gleich bei unserer ersten Begegnung erzählte sie mir, sie spiele Klavier und ihre Eltern hätten ein Feriendomizil in Südfrankreich. Was auch stimmte.
    Gewissermaßen.
    Wenn man als Feriendomizil großzügig gelten lässt, dass sie jedes Jahr ihren Wohnwagen über den Kanal zogen.
    Was das Klavierspielen anging, das war mehr Flohwalzer-Geklimper auf einem Yamaha-Keyboard.
    Aber so ist Fiona. Immer schon gewesen. Und ja, manchmal schämt man sich, wenn sie den Leuten mal wieder mit hochnäsiger Stimme erklärt, sie habe in Cambridge studiert, und dabei verschweigt, dass es nur die Technische Hochschule war und nicht die Uni, die sie besucht hat. Oder wie neulich Abend, als ich hörte, wie sie am Telefon sagte, sie müsse Schluss machen, sie »habe noch Pilates«, dabei hat sie streng genommen bloß eine Pilates- DVD , die zusammen mit anderen unbeachteten Fitness- DVD s in dem Regal unter dem Fernseher verstaubt. Und darüber hinaus habe ich noch nie gesehen, dass sie wirklich damit trainiert hätte, im Gegenteil, nach ungefähr der Hälfte der DVD hat sie umgeschaltet und sich stattdessen Dragon’s Den angeschaut.
    Und doch ist sie all ihrem affektierten Getue zum Trotz einer der entzückendsten Menschen, die man sich denken kann. Sie hat ein riesengroßes Herz, und wenn es hart auf hart kommt, ist sie immer für mich da – ich nenne sie immer den vierten Rettungsdienst nach Polizei, Feuerwehr und Notarzt; aber irgendwie scheint sie zu glauben, nach außen hin eine große Show inszenieren zu müssen. So als schämte sie sich aus unerfindlichen Gründen dafür, die zu sein, die sie ist. Ehrlich gesagt, glaube ich, das hat sie vor allem ihrer Mum zu verdanken. Sie war so eine fordernde, überehrgeizige Mutter, die wegen ihres Babyspecks an Fiona herumnörgelte und darauf bestand, sie solle in der Schule ständig irgendwelche zusätzlichen AG s und Kurse belegen.
    Wenn die Arme morgens in die Schule kam, brach sie fast zusammen unter der Last von drei bis vier Musikinstrumenten, Tennisschläger, Hockeyschläger, Ballettkostüm und Badesachen. Klagen ihrerseits wurden von ihrer Mutter mit dem lapidaren Kommentar abgebügelt: »Marilyn Monroe hätte es als Norma Jean auch nicht so weit gebracht.« Was für eine Elfjährige eine eher verwirrende Aussage ist. Ich glaube, Fiona hat diesen Seitenhieb nie ganz verwunden.
    »Tess, bist du’s?«
    Atemlos vom steilen Aufstieg drücke ich die Tür zu unserer Wohnung auf und werde von lautem Blöken aus ihrem Zimmer empfangen. Komisch, wenn wir beide allein sind, klingt ihre Stimme weniger nach piekfeinem Chelsea, sondern mehr nach prolligem Essex.
    »Wieso? Wen hast du
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