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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord
Autoren: Arto Paasilinna
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Adressen und Telefonnummern angegeben.
    Es war schon spät, aber angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit beschlossen die Freunde, mit den beiden Frauen Kontakt aufzunehmen. Zuerst riefen sie in Humppila an, aber dort meldete sich niemand.
    »Hat sich vielleicht inzwischen umgebracht«, vermute­ te Rellonen.
    Auch in Toijala war die stellvertretende Direktorin Puusaari gerade nicht zu Hause, aber ihre Stimme auf dem Band bat, ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Oberst Kemppainen stellte sich und sein Anliegen kurz vor und bedauerte, dass er zu so ungewöhnlicher Zeit anrufe, es war nämlich schon fast Mitternacht. Er sagte, dass er und sein Freund persönlich vorbeikommen wollten, um Frau Puusaari in einer wichtigen Angele­ genheit zu sprechen.
    Die Männer beschlossen, sich sofort auf den Weg nach Toijala zu machen. Sie hatten sich am Abend ein paar tüchtige Drinks genehmigt, und es war riskant, unter Alkoholeinfluss zu fahren. Doch dann entschieden sie, dass ihnen nichts Schlimmeres als der Tod wider­ fahren konnte, wenn sie betrunken Auto fuhren. Also los. Der Oberst fuhr, Rellonen las den Brief, den Helena Puusaari ihnen geschickt hatte, noch einmal laut vor:
    »Ich bin in meinem Leben an einen Scheitelpunkt ge­ langt. Mein Seelenheil ist in Gefahr. Ich hatte eine gesi­ cherte Kindheit, bin immer ein fröhlicher und vorwärts schauender Charakter gewesen, aber die letzten Jahre hier in Toijala haben eine Veränderung an mir bewirkt. Mein Selbstbewusstsein ist zerstört. In dieser kleinen Stadt kursieren alle möglichen Gerüchte über mich. Ich bin schon seit zehn Jahren geschieden, und das ist nicht einmal hier in Toijala etwas Ungewöhnliches. Aber nach den gewonnenen Erfahrungen wollte ich nicht – konnte es vielleicht auch nicht – wieder eine Beziehung zu einem Mann eingehen, jedenfalls keine feste. Viel­ leicht bin ich paranoid veranlagt, jedenfalls habe ich schon seit Jahren das Gefühl, dass ich pausenlos beo­ bachtet werde und dass alles, was ich tue, registriert wird. Ich fühle mich als Gefangene dieser Gemeinschaft. Auch die früher so interessante Erziehungsarbeit ist mir zuwider geworden. Ich habe mich völlig zurückgezogen. Ich kann mit niemandem reden, misstraue allen und nicht zu Unrecht, wie ich finde. Man hält mich für einen sehr sinnlichen Menschen, und vielleicht ist das auf bestimmte Weise auch wahr. Ich habe eine direkte Art und weise niemanden zurück. Ein ums andere Mal musste ich jedoch feststellen, dass kein Mensch auf der ganzen Welt, jedenfalls nicht hier in Toijala, zu mir ebenso ehrlich ist. Ich kann einfach nicht mehr. Ich möchte nur schlafen, endlos lange schlafen. Ich hoffe, dass mein Ausbruch äußerst vertraulich behandelt wird, denn wenn er publik würde, hätte ich es hier in der Stadt noch schwerer. Ich sehe keine andere Möglichkeit mehr, als mein Leben durch eigene Hand zu beenden.«
    Schweigend fuhren die Männer über die nächtlichen Straßen. Nach einiger Zeit äußerte Onni Rellonen, dass es höflich wäre, sich für die nächtliche Störung zu ent­ schuldigen, indem man Frau Puusaari ein Geschenk mitbrachte, wenigstens Blumen. Der Oberst sah das ähnlich, bezweifelte jedoch, dass sich ein Blumenstrauß zu dieser Stunde so ohne weiteres besorgen ließe, denn die Blumenläden seien nachts geschlossen. Rellonen überlegte kurz und kam dann auf die Idee, dass er unterwegs Blumen direkt aus der Natur pflücken könn­ te; es war Sommer, und alles stand in vollster Blüte. Er bat den Oberst, in einem geeigneten Waldstück anzuhal­ ten. Bei der Gelegenheit könnte er auch sein Wasser abschlagen.
    Onni Rellonen verschwand im dunklen Wald. Der O­ berst wartete beim Auto und rauchte eine Zigarette. Er begann sich über das läppische Blumenpflücken zu ärgern und rief Rellonen zu, er möge ins Auto zurück­ kommen. Aus dem Wald ertönte dessen trunkene Ant-wort, dass er schon Blumen gefunden habe oder wenig­ stens frisches Grünzeug. Rellonen schien sich parallel zur Straße zu bewegen. Der Oberst setzte sich ins Auto und fuhr langsam weiter. Nach ungefähr einem halben Kilometer sah er Rellonen auf der dunklen Straße ste-hen. In der einen Hand hielt er ein Bündel ausgerupfter Weidenröschen und anderer Blumen und in der anderen einen Käfig aus Eisendraht. Der Oberst stoppte und sah, dass in dem Käfig ein fauchendes Tier hockte. Ein Mar­ derhund.
    Rellonen war ganz aufgeregt, er erzählte, dass er ein ganzes Stück durch den Wald gelaufen sei und
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