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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Autoren: Tom Pollock
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Bonfire Night. Unter ihren Füßen begann der Boden – Reachs Körper – zu brodeln und zischend zu schmelzen.
    »Ich werde sein!« , kreischte Reach.
    Zwei der flammenden Männer lösten sich beiderseits aus der Reihe und schlenderten zu den Kränen hinüber. Ein Skelettwolf schnappte nach einem von ihnen, doch dieser zuckte nicht einmal, ging einfach weiter. In der Korona aus Hitze um ihn herum glühte der Kiefer der Bestie auf, und geschmolzene Schlacke floss in die Konturen des Schutts.
    Johnny Naphtha näherte sich einem der Kräne und streckte dem Führerhaus eine brennende Hand entgegen, fast wie zum Gruß. Das Metall glühte auf und verzog und verbog sich unter seiner Berührung, und als Beth sich umblickte, sah sie, dass die übrigen Mitglieder der Synode sich inzwischen über die Baustelle verteilt hatten und an anderen Kränen exakt das Gleiche taten, zur exakt selben Zeit.
    Beth wartete darauf, dass Reach schrie, doch es kam kein Schrei: Die Motoren, die ihm eine Stimme gegeben hatten, waren verstummt. Der Kindkönig der Kräne starb nicht mit einem Schrei, sondern mit einem schwachen metallischen Zischen, das wie ein erschöpftes Ausatmen klang.
    Die Gelenke der Skelettwölfe quietschten, die eisernen Riesen ächzten. Kiefer schoben sich seitwärts übereinander. Knie beugten sich in die falsche Richtung, dann fielen die Monster reglos in den Staub.
    Beth ließ sich hart in den Schutt sacken. Mit leerem Blick betrachtete sie Fils zerschundenen Körper. Die Wunde in ihrer Schulter hatte sich wieder geöffnet, ihr Kapuzenpulli war klamm von frischem Blut.
    Johnny Naphtha trat auf sie zu. Seine Flammen, jene Flammen, die einst den Großen Brand über London gebracht hatten, erloschen. Sein Anzug und seine Haut hatten jetzt die schillernde schwarzgraue Farbe von Kohle. »Wie freundlich von dir, ihn für unsss vorzubereiten.« Er sah hinab auf die graue Leiche, die ausgestreckt quer über Reachs Kehle lag. Ein Hauch von Sarkasmus schlich sich in seine Stimme. »Und so perfekt platziert.«
    Er ging in die Knie, richtete Fils Körper auf und warf ihn sich ohne weitere Umstände über die Schulter. Würdevoll erhob er sich wieder, drehte sich auf dem Absatz um und ging davon. Der Rest seines Zirkels schloss sich ihm an. Einer von ihnen trug ihren gefallenen Bruder im Gamstragegriff, Öl tropfte über seinen verkohlten Rücken.
    Beth ließ sich auf die Seite fallen. Sie fühlte sich ausgelaugt, vollkommen leer. Sie hatte vergessen, wie man etwas fühlte, vergessen, wie man wieder aufstand. Der Junge –
    Der Junge mit der Stadt in der Haut war tot.
    Immer mehr Bordsteinpriester umringten sie. Der Ausdruck auf ihren starren Gesichtern war grimmig, anklagend.
    »Ich musste ihn töten«, krächzte sie. »Ich musste die Chemische Synode hierherbringen.«
    »Das wissen wir.« Die Stimme gehörte Petris. »Wir wissen besser als die meisten anderen, welchen Preis ihre Dienste haben.« Seine steinerne Maske verzerrte sich schmerzhaft zu einem Lächeln.
    Beth stierte zu ihm hinauf. Sein Mienenspiel wirkte mitten in diesem blutigen Chaos dermaßen fehl am Platz, dass sie ihm nicht so ganz traute.
    »Beth, es gibt hier jemanden, der dich sehen will.«
    »Beth? Beth!« Die tonüberkrustete Gestalt, die sie schon im Kampfgetümmel gesehen hatte, drängte sich zwischen den Statuen zu ihr nach vorn. Der Kerl hinkte. Aus der Nähe konnte sie Flecken von blasser Haut sehen, wo der keramische Überzug abgeschlagen worden war. Leuchtend rotes Blut – menschliches Blut – sickerte aus einer klaffenden Wunde an der Stirn des Mannes und tropfte auf ein Gesicht, das sie kannte.
    »Beth.« Ihr Vater fiel neben ihr auf die Knie. »Na los, Beth. Wir bringen dich in ein Krankenhaus. Du wirst schon wieder.«
    Starr vor Staunen blickte Beth in seine braunen Augen, und mit einem Mal wurde ihr deutlich bewusst, dass ihre eigenen längst eine andere Farbe hatten, nämlich das fleckige Grau des Londoner Himmels. »Dad?« Sie musterte seine Schnittwunden, wie betäubt von seiner Anwesenheit. Ihr Blick fiel auf die Metallstange, die er immer noch in der Hand hielt.
    »Du hast gekämpft ?«, flüsterte sie ungläubig. »Schwach und schwerfällig und ’n verfluchter Mensch – und du hast trotzdem gekämpft?«
    Er nickte, beinahe verlegen. »Weil es dein Kampf war«, sagte er leise. »Weil ich dachte, du würdest wollen, dass ich’s tue.«
    Sie streckte ihm ihre Hand hin, und er ergriff sie dankbar und zog seine Tochter auf die Füße. Für
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