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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Autoren: Tom Pollock
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kann, Parva ?«, fauchte Beth. Sie spie die Silben von Pens richtigem Namen förmlich aus; das erste Mal, dass sie sie so nannte, nach drei Jahren Freundschaft.
    Pen schluckte, und etwas glitzerte auf ihrer Wange: eine Träne.
    Pen weint. Instinktiv streckte Beth die Arme aus, um sie ihr um die Schultern zu legen, dann ließ sie sie wieder sinken. Sie fühlten sich so nutzlos an, wie sie da links und rechts an ihr herabhingen.
    »Beth, es – «
    » Nicht , hör auf«, knurrte Beth. »Sag mir nicht, dass es dir leidtut, Parva Khan, sonst bring ich dich um, ich schwör’s. Nur … nur – « Es gab bloß eine Frage, die ihr auf der Zunge brannte. »Warum?«
    »Er hat gesagt, er würde – « Pens Stimme brach. Sie versuchte es erneut. »Er hat gesagt, er würde – «
    »Was!« , polterte Beth. » Was hat er gesagt?«
    Doch Pen sprach nicht weiter; stattdessen sackte sie in sich zusammen und schlang ihren Schal fest um sich.
    »Du hast es noch schlimmer gemacht, B«, wimmerte sie. »Du hast alles noch schlimmer gemacht.«
    Beth blickte in das Gesicht ihrer besten Freundin, und zum ersten Mal seit Jahren vermochte sie darin nichts zu lesen. Pens Augen waren wie zugeschlagene Türen. Mit Spinnenbeinen kroch ein Gefühl, im Unrecht zu sein, Beths Kehle hinauf. »Pen«, flüsterte sie, »Pen, was soll denn das heißen? Was ist passiert? Pen? «
    Pen hielt sich still umschlungen, und Beth begriff, dass sie nach all der Zeit zum ersten Mal nicht ahnte, was in ihrer Freundin vorging. Der Gedanke erschütterte sie. Ich versteh’s nicht, Pen.
    Und wenn sie Pen nicht verstand, dann verstand sie überhaupt nichts mehr.
    Kurz darauf kam Gorecastle zurück. »Parva«, sagte sie, »danke für Ihre Hilfe. Sie können wieder in Ihre Klasse gehen.«
    Pen schlich aus dem Büro, die Rektorin musterte Beth scharf. »Aufstehen«, befahl sie, und als Beth sich langsam aus dem Schreibtischstuhl schälte, ohne den Blickkontakt abreißen zu lassen, seufzte sie. »Kinder wie du, Elizabeth«, sagte sie matt, »Kinder wie du … Vielleicht hätte ich dich einfach der Polizei übergeben sollen.« Sie griff nach einem Formular. »Ich habe deinem Vater eine Nachricht hinterlassen; du wartest hier, bis er dich abholt. Ich werde die Gelegenheit wahrnehmen und diese Sache mit ihm besprechen.«
    Beths Herz, das bisher etwa eine Million Mal pro Sekunde geschlagen hatte, verlangsamte plötzlich sein Hämmern, und Übelkeit stieg in ihr auf. Sie machte sich daran, ihre Spraydosen zurück in den Rucksack zu stopfen. »Da werden wir wohl eine Weile warten müssen«, flüsterte sie.

Kapitel 5
    Um drei Uhr ließen sie Beth endlich gehen. Ihr Vater war nicht gekommen. Sie ging in den Park und verbrachte Stunden damit, ziellos herumzulaufen, sich die Nagelhaut vom rechten Daumen zu kauen und in den Himmel zu blinzeln, bis auch der letzte Rest Farbe aus ihm herausgesickert war. Sie wusste, dass sie sich ihrem Dad irgendwann würde stellen müssen, aber das machte es nicht leichter.
    Schließlich ignorierte sie mühsam das krampfartige Gefühl in ihrem Bauch und zwang sich, nach Hause zu gehen.
    Der Flur war dunkel. Auf dem Weg zur Wohnzimmertür stieß sie mit dem Fuß gegen einen Berg von Werbesendungen. Ihre Hand zitterte leicht, als sie nach der Türklinke griff; seit Wochen war sie nicht mehr in diesem Raum gewesen. Sie stemmte sich gegen den Drang, zurück auf die Straße zu rennen.
    »Versuch’s halt«, zischte sie sich selbst zu und drückte die Klinke.
    Das Wohnzimmer war übersät mit Fotografien; sie waren an jeden Quadratzentimeter Wandfläche gepinnt, lagen wild verstreut auf dem Teppich wie Trümmer von einem Flugzeugabsturz. Auf den Sesseln, abgesehen von einem, türmten sich weitere Stapel.
    Ein stämmiger Mann mit schütter werdendem Haar besetzte den verbliebenen Sessel. Er las in einem Taschenbuch; Beth konnte nur den Titel auf dem verblassten Buchrücken erkennen, Geheimsache Eiserner Kondor . Der Mann blickte nicht auf, als Beth näher trat.
    Beths Lunge fühlte sich an, als wäre alle Luft aus ihr herausgepresst. Sie hatte sich dieses Gespräch auf dem Weg nach Hause wieder und wieder ausgemalt, hatte versucht, die Sache wie etwas klingen zu lassen, über das sie beide sich ganz vernünftig unterhalten konnten, aber jetzt – ?
    Sie schaute auf die kahle Stelle oben am Kopf ihres Vaters, auf die Krümel, die über sein Hemd verteilt waren wie eine Einladung für die Vögel. Was sie sich zurechtgelegt hatte, war nutzlos. Am Ende stieß
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