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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf
Autoren: John Katzenbach
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Einbruch.«
    »Wir haben geschlafen«, sagte sie. Ihre Gedanken rasten. »Sie haben uns geweckt. Das Klingeln des Telefons hat uns beiden einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Wir haben einen neuen Welpen«, log sie. »Vielleicht hat der den Alarm ausgelöst. Bleiben Sie einen Moment dran, damit ich nachsehen kann?«
    »Sie müssen mir Ihren Sicherheitscode durchgeben«, sagte die Stimme am anderen Ende forsch.
    »In Ordnung, ich seh nach«, wiederholte sie, »dauert nicht lang. Ich muss runtergehen. Ich weiß, dass ich den Code auf einem Zettel in einer Schublade habe …«
    Wieder bat sie ihren Mann mit einem stummen Blick um Instruktionen.
    Doch jetzt zischte Karen dazwischen. »Wenn du ihm den Code nicht gibst, und zwar ein bisschen plötzlich, ruft er die Polizei. Umso besser.« Sie grinste selbstgefällig. »Wir bleiben hier einfach alle sitzen und warten, bis die Cops vorfahren. Und dann erzählen wir ihnen alles hübsch der Reihe nach. Überleg mal: Willst du das?«
    Die letzte Frage richtete sich an den Bösen Wolf.
    Karen entdeckte eine schadenfrohe Seite an sich, die diese Situation plötzlich genoss.
Und, Mr. Wolf, Mr. Killer, Mr. Wer-immer-du-bist, möchtest du vielleicht ein paar staunenden Polizisten erklären, was hier heute Nacht vor sich geht?
    Karen merkte, wie sie kurz davor war, einem ungeahnten Drang zum Sadismus freien Lauf zu lassen. Sowohl Karen, die Komikerin, als auch Karen, die Ärztin, gab es nicht mehr. Dabei ahnte sie nicht, dass die anderen beiden Roten gerade eine ähnliche Verwandlung erlebten.
    Sie setzte ein süßliches Lächeln auf und sprach in verhaltenem, grimmigem Ton. »Sie werden gespannt sein, wie drei Frauen, die sich vollkommen fremd sind, auf die Idee kommen, sich miteinander zu verabreden und in dieses Haus einzubrechen. Nicht irgendein schickes Haus, wo Geld oder Schmuck oder teure Kunstwerke zu holen sind, denn dass wir nicht gekommen sind, um zu stehlen, liegt auf der Hand. Nein, genau dieses Haus, ein Allerweltshaus, nicht wahr? Und dann kriegen sie von uns dreien eine Geschichte zu hören, bei der sie sich die Augen reiben. Es wird sie nur noch neugieriger machen. Und dann werden sie Fragen an dich haben. Ernste Fragen. Willst du ihnen Rede und Antwort stehen? Ist dir danach?«
    Er riss die Augen auf.
    »Wenn du also nicht der Wolf bist«, fuhr Karen langsam fort, »nur zu, mach die Notfallmeldung. Hol so schnell wie möglich die Cops, damit sie uns alle in Handschellen abführen können. Solltest du es aber doch sein …«
    Sie hob die Hand und zog ihre schwarze Maske vom Kopf, so dass ihr das rote Haar über die Schulter fiel. Die anderen Roten folgten ihrem Beispiel.
    Mrs. Böser Wolf, immer noch den Hörer in der Hand, rang nach Luft.
    Der Wolf war unschlüssig. Nach wie vor kitzelte ihn die Klinge an der Kehle. Er sah die Angst in den Augen seiner Frau. Er überlegte, welche Möglichkeiten ihm blieben, und sah nur eine. Zeit gewinnen. Und zwar gewiss nicht durch ein Plauderstündchen mit der Polizei. So unfähig das hiesige Revier auch sein mochte, die Cops waren nicht ganz und gar Vollidioten.
    »Gib den Code durch«, murmelte er wütend. »Sag, bei uns ist alles in bester Ordnung. Es war der Hund, den wir nicht haben, genau, wie du vermutet hast.«
    Mrs. Böser Wolf nahm die Hand vom Hörer. »Uns fehlt nichts, alles bestens. War wohl ein Fehlalarm. Der Hund hat ihn ausgelöst«, betonte sie noch einmal. »Unser Entwarnungscode lautet Inspektor Javert, Julius-Anton-Viktor-Emil …«
    »Danke«, sagte die Stimme. »Cooler Code. Sehr literarisch. Ich hab
Les Misérables
letztes Jahr am Broadway gesehen. Ich setze Ihre Anlage von hier aus zurück.«
    Mrs. Böser Wolf legte den Hörer auf die Gabel.
    »Jetzt sollten wir sie einfach beide töten«, sagte Jordan. Sie konnte es selbst nicht fassen, dass ihr diese Worte über die Lippen kamen. Die schwache, verängstigte Jordan, die draußen vor jedem Schatten zusammengezuckt war, war einer wild entschlossenen, kompromisslosen, mörderischen Jordan gewichen, und das innerhalb weniger Sekunden. Wahrscheinlich hatte der körperliche Kontakt die Schleusen geöffnet, mutmaßte sie.
Gegen eine Wand geschmettert zu werden kann ungeahnte Kräfte wecken.
Wie dem auch sein mochte: Sie spürte plötzlich einen Blutrausch, und so strich sie mit der Messerklinge ganz sacht hin und her und ritzte die Haut des Bösen Wolfs, bis eine dünne, rote Linie entstand, aus der ihm das Blut auf die Brust tropfte und ins Oberteil
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