Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
Sie griff nach Karens Hand, um nicht hinzufallen.
    Karen fing die jüngste der drei Roten auf und knallte die Haustür hinter ihnen zu, bevor sie die Treppe hinaufhechtete und Rote Zwei einzuholen versuchte.
    Eigentlich machten sie nicht viel Lärm.
    Aber genug.
     
    Als ihn die Geräusche des Einbruchs aus dem Zustand zwischen Schlafen und Wachen rissen, zuckte dem Bösen Wolf die Angst wie ein Stromschlag durch die Brust. Er saß augenblicklich senkrecht im Bett und merkte, dass er kaum Luft bekam. Er hob die Faust, schlug im Dunkeln ins Leere, würgte in seiner Panik Worte hervor, die eher an den Schrei eines Tiers erinnerten, und konnte nicht sagen, ob er einen Alptraum abwehrte oder etwas Reales, doch gespenstisch Unsichtbares. Neben ihm stieß seine Frau einen Schrei aus, der eher wie ein Gurgeln klang. Mrs. Böser Wolf merkte, wie es ihr die Kehle zuschnürte, als hätte sie jemand im Würgegriff.
    Die Schlafzimmertür flog auf, und eine Gestalt – im Dunkeln konnten sie nicht sehen, ob es ein Mensch oder etwas anderes war, das mit der Nacht verschmolz – stürzte ihnen entgegen. Ein Lichtstrahl schnitt wie eine Klinge kreuz und quer durch den dunklen Raum, als Sarah ihre Taschenlampe schwenkte.
    Sie hob die Waffe und versuchte, alles zu bedenken, was ihr die Leiterin des Frauenhauses beigebracht hatte.
    Nimm sie in beide Hände.
    Entsichere sie.
    Halte die Luft an.
    Ziele genau.
    Sieh zu, dass jeder Schuss ein Treffer ist.
    Um beide Hände für die Waffe frei zu haben, ließ sie die Taschenlampe zu Boden fallen, und das Paar vor ihr im Bett verschwand in einem Gewirr von Schatten. Sie war davon überzeugt, dass sie schrie
Töte ihn! Töte ihn! Töte ihn!,
doch auch diesmal konnte sie die Worte nicht hören oder auch nur fühlen, ob sie die Lippen bewegte.
    In dieser Sekunde des Zögerns explodierte in ihren Augen ein glühend rotes Feuerwerk, als der Mann, den sie erschießen wollte, sie mit einem Faustschlag mitten ins Gesicht traf. Der Wolf, dessen Kampfgeist voll entfacht war, hatte sich auf Sarah gestürzt und sie zur Seite geworfen, während Mrs. Böser Wolf sich in die Kissen kauerte.
    Sarah taumelte, und im selben Moment traf sie ein zweiter Hieb in der Brust, so dass ihr die Luft wegblieb. Sie prallte von einer Kommode ab, stürzte und landete auf dem Bett. Plötzlich spürte sie, wie eine Hand nach ihrem Revolver griff. Sie wusste, dass sie sich wehren musste, nur dass ihr nicht einfiel, wie. Sie hatte einen einzigen Gedanken:
Lass ja nicht los! Lass ja nicht los.
Sie wurde hin und her geworfen und wie ein Kreisel gedreht, bis sie merkte, wie ihre Füße wegrutschten und sie über die Bettkante auf den Boden fiel. Ein ungeheures Gewicht drückte sie nieder, und scharfe Nägel versuchten, ihr die Maske vom Gesicht zu reißen.
    Hinter ihr stürmten zwei andere schwarze Gestalten ins Zimmer. Karen hatte die Fischkeule in der Hand und schwang sie wild, aber wirkungslos. Sie traf eine Nachttischlampe, Porzellan zerbrach. Ein zweiter schlecht gezielter Hieb fegte klirrend den Nippes von der Kommode.
    Die Dunkelheit täuschte sie alle.
    Der Böse Wolf und seine Frau wehrten sich verzweifelt und mit aller Macht. Sie traten, bissen, boxten, kämpften mit Zähnen und Klauen. Decken und Laken landeten auf dem Boden, das hölzerne Bettgestell ächzte unter der Raserei. Inzwischen hatte Mrs. Böser Wolf den Revolver in Sarahs Hand am Lauf gepackt und zog und zerrte daran, um ihn in ihre Gewalt zu bekommen. Dabei war ihr nur vage bewusst, was es war, sie wusste nur, dass es sie töten konnte und dass sie es in die Finger bekommen musste und nicht mehr loslassen durfte. Mit dem Selbsterhaltungsinstinkt eines Tiers kämpften sie, aus dem tiefen Schlaf gerissen, um ihr Leben.
    Der Böse Wolf war in dem dunklen Zimmer mit einem Satz bei Karen. Er versetzte ihr einen Schlag aufs Ohr. Ihr drehte sich alles im Kopf. Ein zweiter Hieb traf Karen in den Oberkörper, und die Ärztin merkte, wie ihr eine Rippe brach und höllische Schmerzen bereitete. Sie rechnete mit einem dritten Schlag, der ihr das Bewusstsein rauben würde, und so schwang sie die Fischkeule mit der Kraft der Verzweiflung. Sie spürte, wie sie auf Haut und Knochen traf, und hörte einen Schmerzensschrei, doch sie war nicht sicher, ob er von der Gestalt kam, mit der sie kämpfte, oder von ihren eigenen Lippen.
    Plötzlich drang ein lautes Gellen durch den Raum. Jordan hatte mit ihrem Filetiermesser ausgeholt und den Wolf am Arm getroffen, als er zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher