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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger
Autoren: William Nicholson
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nicht vermasselt! Morgen früh seid ihr putzmunter und Haka Chaka bekommt eine schöne Hinrichtung. Also: Ende gut, alles gut, wie es so schön heißt.« 
    Das Essen gab Bowman neue Kraft – und mit der Kraft kam neue Hoffnung. Sofort dachte er über Fluchtmöglichkeiten nach. 
    »Eigentlich sind wir gar keine Baraka-Spione«, sagte er. 
    »O nein«, entgegnete Pok. »O nein, so leicht legt ihr mich nicht herein. Selbst der alte Pok sieht, dass ihr keine Chakas seid, und wenn ihr keine Chakas seid, dann seid ihr Barakas.« 
    »Wir kommen aus Aramanth.« 
    »Nein, kommt ihr nicht. Ihr habt Baraka-Frisuren.« 
    »Und wenn wir unsere Haare aufflechten?«, fragte Kestrel. 
    »Wenn wir sie abrasieren würden wie ihr?« 
    »Na, dann…«, antwortete Pok unsicher, »dann wärt ihr… dann sähet ihr aus wie…« Er fand die Vorstellung äußerst verwirrend. 
    »Wir sähen aus wie ihr.« 
    »Das kann schon sein«, sagte er. »Aber heute Nacht könnt ihr euch die Haare nicht abrasieren und morgen früh werdet ihr gehängt. Also wird daraus nichts.« 
    »Aber ihr würdet uns doch nicht hängen und nachher herausfinden wollen, dass alles ein Irrtum war.« 
    »Haka Chaka gibt die Befehle«, erklärte Pok zufrieden. »Haka Chaka ist der Vater von Omchaka, der Große Gerechte Pächter und die Geißel der Ebenen. Er irrt sich nie.« 
    Trotz des engen Käfigs und des pfeifenden Windes schliefen die Kinder in dieser Nacht. Das Essen in ihren Bäuchen und die Müdigkeit in ihren Knochen wog schwerer als die Furcht vor dem Morgengrauen und so schliefen sie tief und fest bis zur Dämmerung. 
    Der Wind hatte nachgelassen, doch der Himmel war grau und bedeckt und verhieß Sturm. Ein Trupp von Chaka-Wächtern rückte an und umzingelte den Käfig, der auf das Deck heruntergelassen wurde. Die Tür wurde geöffnet. Die Kinder stolperten hinaus. Der Trupp nahm um sie herum Aufstellung und marschierte mit ihnen über einen Plankenweg zu dem Platz im Herzen von Omchaka. Hier drängte sich eine große, wartende Menschenmenge direkt um den Platz und auf den darüberliegenden Decks. Sobald die Leute die Kinder erblickten, begannen sie zu zischen und Beleidigungen zu rufen. 
    »Hängt sie! Baraka-Gesindel! Knüpft sie auf!« 
    In der Mitte des Platzes hatte man einen Galgen errichtet, von dem drei Schlingen baumelten. Hinter dem Galgen standen die Kommandanten der Chaka-Armee und eine Reihe Trommler. Die Kinder wurden zum Galgen geführt und mussten sich auf eine Bank stellen, vor jedem von ihnen hing eine Schlinge. Dann setzten die Trommler ein und der Großkommandant rief: »Alles erhebt sich für Haka Chaka, Vater von Omchaka, Großer Gerechter Richter und Geißel der Ebenen!« 
    Niemand rührte sich, da alle sowieso schon standen, als Haka Chaka mit einem kleinen Gefolge auf den Platz schritt. Er war ein alter Mann von imposanter Statur und trug das graue Haar kurz rasiert. Doch er war es nicht, den die Kinder erstaunt anstarrten. Hinter ihm, ebenfalls kurz geschoren, ging Berater Kemba. 
    »Er ist ein Baraka!«, schrie Kestrel und zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn. »Er heißt Kemba und kommt aus Ombaraka!« 
    Kemba lächelte scheinbar unbeeindruckt. »Als Nächstes behaupten sie noch, dass Ihr ein Baraka seid, Euer Hoheit.« 
    »Von mir aus können sie sagen, was sie wollen«, antwortete Haka Chaka grimmig. »Das wird ihnen schon bald vergehen.« 
    Er gab den Wächtern ein Zeichen, die die Kinder festhielten, und sie legten den Gefangenen die Schlingen um die Hälse. Mumpo weinte nicht, wie er es früher getan hätte, sondern rang nur leise nach Luft. 
    »Es tut mir Leid, Mumpo«, sagte Kestrel. »Wir haben dir doch nur geschadet.« 
    »Nein, das habt ihr nicht«, erwiderte er tapfer. »Ihr wart meine Freunde.« 
    Haka Chaka stieg auf ein hohes Podium und richtete das Wort an die Menge. 
    »Bürger von Omchaka!«, brüllte er. »Der Morah hat unsere Feinde in unsere Gewalt gebracht!« 
    Sofort sah Bowman einen Ausweg. »Der Morah ist aufgewacht!«, rief er. 
    Eine überraschte Stille senkte sich über die Menge. Am grauen Himmel ertönte das tiefe Grollen des bevorstehenden Sturmes. Kemba funkelte Bowman böse an. 
    »Die Saren marschieren!«, schrie Bowman. 
    Dies bestürzte die Menge. Auf allen Seiten brach aufgeregtes Geplapper los. 
    Haka Chaka wandte sich an seine Berater. »Kann das wahr sein?« 
    »Sie folgen uns«, rief Bowman. »Wo wir auch sind – sie werden uns finden.« 
    Nun wurden überall
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