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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger
Autoren: William Nicholson
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angsterfüllte Stimmen laut und plötzlich rüttelten Windstöße über ihren Köpfen an der Takelage. 
    »Nichts kann die Saren aufhalten!« 
    »Sie werden uns alle umbringen!« 
    »Gebt Befehl zum Segelhissen!« 
    »Ihr Narren!« Das war Kemba, der die Panik unter Kontrolle brachte. Er sprach laut, aber gefasst, ja sogar tröstend. »Merkt ihr denn nicht, dass das nur ein billiger Baraka-Trick ist? Warum sollte der Morah aufgewacht sein? Warum sollten die Saren marschieren? Er lügt doch bloß, um seine eigene elende Haut zu retten.« 
    »Ich selbst habe den Morah aufgeweckt«, erklärte Bowman. »Der Morah hat zu mir gesagt: ›Wir sind Legion.‹« 
    Bei diesen Worten lief es der Menge kalt über den Rücken. Kemba schaute Bowman voller Hass an, doch in seinem Blick lag auch Angst. 
    »Er lügt!«, schrie er. »Sie sind unsere Feinde! Warum hören wir ihnen überhaupt zu? Hängt sie! Hängt sie sofort!« 
    Die Menge schloss sich dieser Forderung an und wiederholte sie wild, als sich ihre neu geweckte Angst in hasserfülltem Zorn entlud. »Hängt sie! Hängt sie!« 
    Die Schlingen wurden fest um die Hälse der Kinder gezogen. An jedem Ende der Bank stand ein Wächter und wartete darauf, sie unter den Füßen der Kinder wegstoßen zu können. Haka Chaka hob die Arme, um die aufgebrachte Menge zu beruhigen. 
    »Was haben wir schon zu befürchten?«, brüllte er. »Wir sind Omchaka!« 
    Lautes Jubelgeschrei erscholl in der Menge. 
    »Lasst Ombaraka zittern! So gehen wir mit allen Feinden von Omchaka um!« 
    Doch in dem Moment der Stille, der eintrat, bevor er das Zeichen zum Hängen geben würde, trug der Wind ein Geräusch zu ihnen herüber: das Stampfen marschierender Füße, die Musik einer Marschkapelle und den Gesang unzähliger junger Menschen. 
    »Töten, töten, töten, töten! Töten, töten, töten!« 
    Die Bürger von Omchaka schauten sich in stillem Entsetzen an. Dann bildeten ihre Lippen die Worte, die alle fürchteten. 
    »Die Saren! Die Saren!« 
    Berater Kemba wurde sofort aktiv. 
    »Euer Hoheit«, drängte er, »lasst die Spione frei! Setzt sie in einen Landsegler mit Kurs nach Süden. Die Saren werden ihnen folgen. Omchaka muss sofort nach Osten segeln.« 
    Haka Chaka begriff und gab die Befehle. 
    Als sich die Menge auflöste und die Bürger von Omchaka auf ihre Posten eilten, näherte sich Kemba den Kindern und zischte ihnen wütend zu: »Vierzig Jahre Frieden und ihr macht alles kaputt! Mein Lebenswerk ist zerstört! Mein einziger Trost ist, dass ihr den Saren nicht entkommen werdet und euer kostbares Aramanth auch nicht!« 
    Die Kinder wurden freigelassen und in einen Landsegler gesetzt – nicht in eine der wendigen Korvetten, sondern in einen schweren Frachtkahn mit einem einzigen festen Segel. Er wurde hastig längsseits heruntergelassen, während in der riesigen Stadt Omchaka ein hektisches, lärmendes Treiben entstand. Auf allen Decks machten sich die Segelsetzer unter lautem Rufen von Anweisungen an die Arbeit. Der zunehmende Wind blähte die zahllosen Segel und brachte das gewaltige Mutterschiff ruckelnd in Bewegung. 
    Als der kleine Landsegler auf dem Boden aufsetzte, tauchte das Heer der Saren in der Ferne auf – angeführt von der Kapelle marschierten sie in Achterreihen im Gleichschritt über die Ebene. Der stürmische Wind, der aus Norden heranfegte, erfasste das Segel, riss den Landsegler aus dem Windschatten Omchakas und trieb ihn voran. Plötzlich rollte der Donner über den düsteren Himmel und ein Gewitter mit strömendem Regen brach über sie herein. 
    Immer schneller sauste der Kahn über den steinigen Boden und den Kindern blieb nichts anderes übrig als sich an den Mast zu klammern und sich durch das Unwetter schleudern zu lassen. Der Wind wuchs sich zu einem Sturm aus und der Regen wurde zum Wolkenbruch, der ihnen die Sicht nahm. Blitze zuckten über den bleigrauen Himmel und heftige Donnerschläge erschütterten die Luft. Regen sammelte sich im Kahn und schwappte über die Füße der Kinder. Sie hielten sich mit aller Kraft fest, während sie holpernd und polternd und ohne jede Kontrolle vorwärts rasten. 
    Dann prallte eines der Räder gegen einen Felsen und zwei Speichen brachen. Ein paar Sekunden drehte sich das Rad weiter, doch dann gab der Radkranz nach und das Rad brach. Der Kahn geriet ins Schlingern. Der Wind blies erbarmungslos ins Segel und wirbelte den Landjäger so lange herum, bis ein zweites Rad zerbarst. Er krachte auf die Seite,
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