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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Pertsa es darauf angelegt hatte, mich in Rage zu bringen, was ihm schon auf der Polizeischule leicht gefallen war.
    Er lächelte höhnisch, drückte die Zigarette aus und steckte gleich die nächste an. »Ist sonst noch was, oder darf ich weiter-arbeiten?«, fragte er und deutete auf den PC, dessen Monitor inzwischen dunkel geworden war. Ich war fest davon überzeugt, dass er bei meinem Eintritt ein Spiel laufen gehabt hatte.
    »Also am Freitag um drei in meinem Büro«, sagte ich im Befehlston – ein diskreter Hinweis darauf, dass das Chefbüro jetzt mir gehörte. Ich würde Pertsa nicht erlauben, dort zu rauchen, obwohl ich wusste, dass er mit sinkendem Nikotinpe-gel immer unausstehlicher wurde.
    Bis Freitag war meine elegante Safarihose fleckig geworden, sodass ich meinen alten schwarzen Blazer und Jeans anziehen musste. In der Hosentasche fand ich die Visitenkarte von Anne Merivaara, die ich vor lauter Arbeit ganz vergessen hatte. Dabei hatte ich ihr doch versprochen, mich wegen Harri zu melden!
    Nachdem ich die morgendlichen Routineaufgaben erledigt hatte, rief ich am PC die Akte der Voruntersuchung über Harris Tod auf. Der Bericht war kurz und bündig. Wie Koivu mir im Herbst bereits gesagt hatte, war es ein Unfall gewesen. Weder auf der Insel noch in Harris Wohnung hatte man Hinweise auf einen Selbstmord gefunden.
    Ich las die Protokolle zweimal durch, und als ich Koivu nach dem Essen im Pausenraum sitzen sah, fragte ich ihn noch einmal nach dem Fall. Er erinnerte sich nicht mehr daran, immerhin lag die Sache bereits zehn Monate zurück. Erst bei dem Namen Rödskär fiel der Groschen.
    »Ach richtig, da bin ich ja sogar im Hubschrauber hingeflo-gen. Eindeutig ein Unfall. Einen Abschiedsbrief haben wir nicht gefunden, auch in seiner Wohnung nicht.«
    »Und sein Computer? Habt ihr den untersucht?«, fragte ich, denn ich erinnerte mich an den Fall eines kontaktgestörten jungen Mannes, der ausschließlich mit seinem PC kommunizier-te. Er hatte auf dem laufenden Gerät einen Abschiedsbrief hinterlassen und sich unmittelbar daneben erhängt, doch sein zuckendes Bein hatte sich im Kabel verfangen und es aus der Steckdose gerissen. Daher war seine Nachricht nicht gefunden worden, erst später hatte sie ein anderer Computerfreak, der das Gerät gekauft hatte, auf der Festplatte entdeckt.
    »Er hatte das Ding auf die Insel mitgenommen, ein Olivetti-Laptop. Da war weiter nichts drauf als Vogeltagebücher und meeresbiologischer Kram, aus dem ein normaler Polizist nicht schlau wird. Warum können die Ornithologen eine Sturmmöwe nicht Sturmmöwe nennen, statt mit lateinischen Namen um sich zu werfen?«
    »Du hast dir als Kind doch bestimmt auch eine Geheimsprache ausgedacht, weiter ist das nichts. So ähnlich wie die Einsatzco-des, die wir verwenden, obwohl ich so was wie Falke zwo für eine Belagerung albern finde. Vielleicht will man sich damit weismachen, es wäre bloß ein Indianerspiel, bei dem es nicht um Leben oder Tod geht.«
    »Wir haben uns nicht alle Dokumente auf dem Laptop angesehen, weil die Sache völlig klar war.« Koivu machte Schultergymnastik und klagte über Muskelkater vom Squash.
    Ich wählte Anne Merivaaras Nummer.
    »Merivaara«, antwortete Juha Merivaaras dröhnender Bass.
    »Hauptkommissarin Kallio von der Polizei Espoo. Ist die Public-Relations-Direktorin zu sprechen?«
    »Sie hat eine Sitzung, soweit ich weiß. Kann ich Ihnen behilflich sein?« Seine Neugier war nicht zu überhören.
    »Es geht um eine Privatsache«, antwortete ich bestimmt.
    »Anne Merivaara ist meine Frau. Waren Sie nicht am vorigen Wochenende auf Rödskär?«
    Auf der Insel hatte Merivaara mich einfach geduzt, aber an Land galten offenbar andere Benimmregeln.
    »Genau. Würden Sie Ihre Frau bitten, zurückzurufen? Sie erreicht mich über die Zentrale der Espooer Polizei. Sagen Sie ihr bitte, ich hätte die Sache geklärt, nach der sie sich erkundigt hat. Besten Dank, und einen schönen Tag noch«, sagte ich zuckersüß.
    Erst nachdem ich aufgelegt hatte, wurde mir bewusst, dass Juha Merivaara dabei gewesen war, als Harris Leiche gefunden wurde. Hätte ich von ihm etwas erfahren können? Aber nein, Koivu hatte gründliche Arbeit geleistet, wie immer, also hatte er sicher alles Wesentliche aus dem Geschäftsführer herausgeholt.
    Anne Merivaara meldete sich um Viertel nach drei, gerade als Pertsa Ström sich endlich mit Kaffee und zwei Tassen in mein Büro bequemt hatte. Ich versicherte ihr, dass es keine Hinweise auf einen
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