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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung
Autoren: Kimberley Wilkins
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Abschied hochhob. Ich weiß, dass dein Vater und Molly getan haben, was sie für richtig hielten, doch wenn ich gewusst hätte, dass ich dich nie wiedersehe, hätte ich dich noch viel fester an mich gedrückt. Ich hätte dich niemals gehen lassen.
    Du bist jetzt eine erwachsene Frau mit eigenen Kindern und weißt, wie eng die Bindung zwischen Mutter und Kind ist. Vielleicht machst du mir Vorwürfe, weil ich dich habe gehen lassen. Wie du weißt, habe ich versucht, in deinem Leben zu bleiben. Als du mir schriebst, ich solle dich in Ruhe lassen, habe ich gehorcht. Das hätte ich natürlich nicht tun sollen. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass du kaum erwachsen warst und nicht wusstest, was du wolltest. Aber ich schämte mich – nicht für dich, niemals, aber für mich selbst und meine Vergangenheit. Ich habe einen Mann geheiratet, der im Licht der Öffentlichkeit steht, und die Vernunft befahl mir, dich gehen zu lassen, vor allem, da du unbedingt frei von mir sein wolltest.
    Doch wir beide werden niemals frei voneinander sein. Du bist in mir gewachsen und aus meinem Körper hervorgegangen, dein Herzschlag hing von meinem Herzschlag ab. Und als du geboren wurdest, brauchte ich dich ebenso sehr wie du mich. Was immer geschieht, diese Bindung kann nicht gelöst werden. Molly hat diese ursprüngliche Liebe niemals gekannt, obwohl sie geglaubt hat, sie könnte dir die Mutter ersetzen. Wir gehören zusammen, Lucy, obwohl wir seit vielen Jahren so weit voneinander entfernt leben.
    Ich glaube nicht, dass dir dieser Brief jemals willkommen sein wird, und werde ihn daher auch nicht absenden. Dennoch fühle ich mich besser, weil ich noch einmal meine Liebe zu dir bekräftigt habe und dir sagen kann, wie entsetzlich es gewesen ist, dich zu verlieren. Ein Teil von mir wird immer fehlen. Meine Lucy, mein geliebtes Kind mit der weichen Haut. Zweifle nie daran, dass ich dich geliebt habe, dass ich dich weiterhin liebe und lieben werde, bis die Sterne erlöschen und die Stille kommt.
    Deine dich liebende Mutter Beattie
     
    Mein Herz schnürte sich zusammen. Meine geliebte Großmutter hatte diesen Schmerz all die Jahre vor uns verborgen. Patrick rieb mir sanft den Rücken. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich weinte. Schließlich wischte ich mir die Tränen ab und betrachtete die Fotos noch einmal. Beattie und Lucy. Grandma sah so schön und glücklich aus.
    »Sie sieht aus wie du«, meinte Patrick.
    »Das sagen alle. Mum kommt eher nach Grandpa. Groß und attraktiv. Ich sehe aus wie Grandma.«
    »Nein, ich meine das kleine Mädchen. Lucy.«
    Ich nahm eines der Fotos und sah es mir ganz genau an. Lucy lächelte. Sie sah tatsächlich aus wie ich. Das Lächeln, Grandmas Lächeln, mein Lächeln.
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte Patrick.
    Ich wandte mich zu ihm. Sein Gesicht war sanft, seine Augen blickten warm. »Das Richtige.«

[home]
    Epilog
    L aut Kalender war es Frühling in Glasgow, doch der Schnee wollte nicht weichen. Natürlich war ich die extreme Kälte nicht mehr gewohnt, und Patrick lachte, als ich mehrere Schichten Kleidung übereinanderzog, bevor wir das Hotel verließen.
    »Ich frage mich, wie du einen tasmanischen Winter überstehen willst.«
    »Da draußen liegt richtiger Schnee. Sehr, sehr kalter Schnee.«
    Wir gingen durch das geheizte Foyer und traten auf die Straße. Patrick hatte einen Stadtplan dabei, und wir folgten ihm minutiös. Es war erstaunlich einfach gewesen, die Adresse von Lucy MacConnell – oder Lucy Sutherland, wie sie heute hieß – herauszufinden. Aber es war schwer, mich für eine Vorgehensweise zu entscheiden. Wenn ich den Brief mit der Post schickte, könnte sie die Annahme verweigern. Wenn ich sie anrief, ohne dass sie den Brief kannte, könnte sie einfach auflegen. Die einzige Möglichkeit bestand darin, sie persönlich aufzusuchen, mit dem Brief in der Hand. Alles andere läge dann bei ihr.
    Ich hatte Mum gebeten, mit mir zu kommen, doch sie hatte im letzten Augenblick den Flug storniert. Nicht aus Eifersucht oder weil sie Lucy ablehnte; sie fürchtete nur, es könnte alles zu viel für die arme Frau werden. Wenn Lucy dazu bereit wäre, könnten Mum und Onkel Mike immer noch eine dramatische Familienvereinigung feiern. Ich selbst hatte nur die Aufgabe, den Brief zu überbringen.
    »Hier ist es«, sagte Patrick und blieb vor einem heruntergekommenen Haus mit einem wunderschönen, gepflegten Garten stehen.
    Ich schaute zur Haustür, mein Atem bildete eine Wolke vor meinem Gesicht.
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