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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung
Autoren: Kimberley Wilkins
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sah plötzlich nicht mehr ganz so düster aus. Ich fragte mich sogar, weshalb sie jemals düster ausgesehen hatte, wo ich doch jung und lebendig und gesund war.
    Meine einzige Sorge war Patrick. Wieder und wieder erinnerte ich mich an seinen Kuss. Ich wollte mich nicht erneut in einer Phantasie verlieren, doch ich hatte noch nie einen besseren Mann als ihn getroffen. Und das würde ich auch nicht mehr.

[home]
    Dreiunddreißig
    A m Samstagnachmittag war ich eine halbe Stunde zu früh fertig und lief im Wohnzimmer auf und ab. Ich war aus mehreren Gründen nervös: Ich musste Monica gegenübertreten, wollte unbedingt einen guten Eindruck bei Patrick hinterlassen und fragte mich, wie es für Mina laufen würde. Ich hätte sie gern bei der letzten Generalprobe gesehen, um ihr zu sagen, wie gut ich sie fand und wie stolz ich auf sie war …
    Mina.
Plötzlich kam mir eine Idee. Warum hatte ich nicht schon früher daran gedacht? Ich ging nach oben in mein Schlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank. Darin lag das Diadem aus
Schwanensee,
sie würde wunderbar damit aussehen. Traurig wurde mir klar, dass ich es ihr schon längst hätte schenken können, nur war es mir zu kostbar gewesen, ein Symbol meines alten Lebens. Ich war zu egoistisch gewesen, um mich davon zu trennen.
    Ich steckte das Diadem in meine Handtasche und ging wieder nach unten. Die Sommernachmittage schienen ewig zu dauern, sie waren mild und von Wohlgerüchen erfüllt. Lange Schatten und ein sanfter Wind. Pünktlich um fünf fuhr Patrick in die Einfahrt. Monica saß neben ihm.
    »Hallo.« Ich stieg ein.
    »Hi, Emma«, sagte er, legte den Rückwärtsgang ein und rollte in Richtung Straße. Er warf Monica einen scharfen Blick zu, worauf sie mich widerwillig begrüßte.
    Ich lehnte mich zurück und schaute aus dem Fenster. Sie begegnete mir die ganze Fahrt über kalt, wenn nicht gar feindselig, was mir unangenehm und Patrick peinlich war. Ich war erleichtert, als wir vor der Aula auf den Parkplatz fuhren; endlich konnte ich aussteigen und auf Distanz gehen.
    Patrick gab uns die Eintrittskarten. »Ich muss noch mal die Lautsprecheranlage überprüfen. Entschuldigt bitte.«
    »Ich möchte gern zu Mina. Ist es in Ordnung, wenn ich hinter die Bühne gehe?«
    »Natürlich.«
    Ich tastete mich durch die Kulissen, wo Marlon fröhlich singend umherstolzierte, umgeben von nervösen Kindern und ihren ebenso nervösen Eltern.
    »Ich suche nach Mina«, sagte ich zu einer Mutter.
    »Drüben in den Kulissen auf der anderen Seite.«
    Ich ging hintenherum. Bühnen rochen überall auf der Welt gleich: nach Haarspray, Farbe, heißen Kabeln und Klebeband. In den Kulissen war es dunkel, nur einer der technischen Assistenten leuchtete mir mit einer Taschenlampe den Weg. Mina saß auf einem Hocker und starrte vor sich hin.
    »Hi.«
    Sie lächelte. »Hi.«
    »Bist du aufgeregt?«
    Sie nickte. »Ich habe ein bisschen Angst.«
    »Das ist normal. Das ist sogar gut. Die besten Ballerinas haben immer ein bisschen Angst.«
    »Ehrlich?«
    »Und wie. Es bedeutet, dass es ihnen wichtig ist. Schau mal, ich habe etwas für dich.«
    »Was denn?«
    Ich holte das Diadem aus der Tasche. »Kennst du das noch?«
    Sie griff danach und setzte es auf. Ich rückte es zurecht und steckte es fest, während ich mit ihr sprach. »Ich kann nicht mehr tanzen, Mina. Nicht so wie früher. Also brauche ich auch das Diadem nicht mehr. Möchtest du es gerne haben?«
    Sie machte große Augen. »Ja, ja, ja!«
    »Du musst vorsichtig damit sein. Es ist zerbrechlich. Es wurde …« Doch es würde ihr nichts bedeuten, dass es für mich in der Tschechischen Republik von Hand gefertigt worden war. »Es war mal etwas ganz Besonderes für mich.«
    »Das ist es jetzt nicht mehr?«
    »Besonders bedeutet jetzt etwas anderes für mich«, erklärte ich lachend. »Du kannst es haben. Es sieht wunderschön bei dir aus.«
    Sie nickte. »Weißt du was? Mein Dad kommt.«
    Es traf mich wie ein Schlag; vielleicht war ich letztlich doch zu ihm durchgedrungen. »Das ist ja toll. Er wird sehr stolz auf dich sein.«
    »Nachher gehen wir Pizza essen. Ich mag Pizza total gern.«
    Ich umarmte sie. »Ich suche jetzt besser meinen Platz. Viel Glück.« Ich ließ sie in der Dunkelheit sitzen, wie gebannt von der hektischen Aktivität, die sie umgab.
    Der Zuschauerraum füllte sich allmählich. Ich fand meinen Platz und stellte fest, dass ich genau neben Monica saß. Natürlich. Patrick hatte die Karten zusammen gekauft. Ich wappnete mich für
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