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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod
Autoren: Ole Kristiansen
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können.
    Endlich würde alles gut werden.

152
     
    »Ich habe dich sofort erkannt, damals im Wald, in deinem Auto«, sagte Rolf. »Ich habe nach meinen Puppen gesehen. Erich meinte zu mir, sein Hund würde im Wald herumgraben. Da musste ich nachsehen. Du weißt doch, wie ich an meinen Puppen hänge.«
    Jule hörte Caro hinter sich wimmern und das helle Klirren von Metall. Bemerkte Rolf denn überhaupt nicht, wie sein letztes Opfer die Schnallen löste, mit dem er es an den Liegestuhl gefesselt hatte? Nein, er schenkte Caro keinerlei Notiz. Offenbar war er zu gebannt von der Vorstellung, sein geliebtes Wesen wäre zu ihm zurückgekehrt. Jule kämpfte ein trockenes Würgen nieder. Smolski war ein verdammter Idiot. Er hatte mit allem danebengelegen – sogar mit seiner Theorie, die dunkle Gestalt, die Jule auf dem Waldweg vor das Auto gesprungen war, sei einer seiner Kollegen gewesen. Ein Wunsch kam in Jule auf: Hätte sich an jenem Abend doch nur ihre eigene Angstfantasie erfüllt. Hätte sie doch nur tatsächlich noch ein zweites Leben ausgelöscht. Sie hätte es nicht bereut.
    »Das war ein schönes Spiel, oder?« Er lächelte zaghaft. »So zu tun, als wären wir andere Leute. So, wie wir es früher immer gemacht haben. Weißt du noch?«
    Jule blieb stumm, aber sie nickte.
    »Weißt du auch noch, wie Andi manchmal mitgespielt hat? Das war noch vor dem Geheimnis. Du hast das Geheimnis doch niemandem verraten, oder?«, fragte Rolf.
    Jule schüttelte den Kopf. Sie verstand immer noch nicht, was dieses große, dieses richtige Geheimnis war, das so viel Unheil angerichtet hatte. Aber sie war bereit, sein Spiel mitzuspielen. Doch es würde anders enden, als er dachte. Ganz anders. »Nein, natürlich habe ich das keinem verraten.«
    Er ließ die Tüte fallen, sank auf die Knie und rutschte ein Stück auf sie zu. »Ich musste es doch tun, oder?«
    Sie nickte. Sie hätte ihn in all seinen noch so verrückten Ideen bestätigt, solange er nur näher an sie herankam.
    »Du weißt, wie sie zu mir waren.« Er blinzelte, als stiegen ihm Tränen in die Augen. Seine Knie schabten über den Sand. »Sie hatten es nicht anders verdient. Sie haben mich fertiggemacht.«
    Jule begriff, dass er nicht über die Frauen redete, die er umgebracht hatte.
    »Er hat mich immer geschlagen.« Zorn und Trauer machten seine Stimme heiser. »Wegen der Zinnsoldaten. Wegen der Puppen. Wegen dem Schminken. Wegen dem Tanzen. Und sie, sie hat nur dabei zugesehen. Wenn er fertig war, ja, dann ist sie zu mir ins Bett gekommen und hat mich festgehalten. Mir gesagt, dass sie mich liebt. Dass sie mich braucht. Dass ich sie beschütze, weil er sie schlagen würde, wenn er mich nicht schlägt.«
    »Das war schlimm, ja«, sagte Jule. Mein Gott, er redete von seinen Eltern! Ihre Finger schlossen sich fester um den Messergriff.
    »Es war nicht meine Entscheidung«, verteidigte sich Rolf gegen einen Vorwurf, den niemand ausgesprochen hatte. Er zeigte zur Decke. »Der Himmel hat es entschieden. Das Gewitter wollte es so. Das Feuer wollte es so. Ich habe nur die Tür abgeschlossen, damit sie nicht aus ihrem Schlafzimmer kommen. Das weißt du doch, oder? Es war nicht meine Schuld.«
    »Nein, es war nicht deine Schuld«, flüsterte Jule.
    »Andi weiß es auch.«
    Die Vorstellung, dass etwas so Unschuldiges wie ein Band der Freundschaft zwischen drei Kindern aufs Grauenhafteste pervertiert war, barg eine gewaltige Trostlosigkeit in sich. Jules Entschlossenheit drohte beinahe daran zu zerbrechen. Sie feuerte ihn stumm dazu an, noch näher auf Knien an sie heranzukriechen. Und er tat es.
    »Er hat gedacht, er wäre schlau«, fuhr Rolf fort. »Er ist aus dem Fenster gesprungen. Aber dann konnte er nicht mehr laufen, und ich habe ihn zurück ins Haus getragen. Die Treppen hoch. Alles brannte. Sie war schon tot. Erst hat sie geschrien. Dann nicht mehr.«
    »O Gott«, schluchzte Caro. »Warum hört er nicht auf?«
    Rolf beachtete sie auch jetzt nicht. Er kroch weiter auf Jule zu. »Du warst so gut zu mir. Ich habe auf dich aufgepasst. Ich habe immer gewusst, wo du bist. Als du weggegangen bist, bin ich mit dir gegangen. Weißt du noch, wie wir uns wiederbegegnet sind? Wie glücklich wir waren?«
    »Ja«, sagte Jule. »Ja, wir waren sehr glücklich.«
    »Was redest du da, Jule?«, wimmerte Caro. »Wer ist er?«
    »Und dann kam der schlimme Tag.« Rolf schüttelte den Kopf. »Als wir beschlossen haben, dass du eine Weile weit wegmusst, damit das Geheimnis für dich leichter zu
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