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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol
Autoren: Guido Knopp
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Forschungsreisen auf die Barriere oder ins Gebirge wurden abgeblasen – die Männer waren ausgebrannt, ihr Forscherehrgeiz war endgültig erlahmt.
    Ihnen blieb nun nichts mehr zu tun, als auf das Schiff zu warten, das sie wieder in die Heimat bringen würde. Erst am 18. Januar 1913 traf die festlich geschmückte Terra Nova wieder am McMurdo-Sund ein. »Geht es euch allen gut?«, rief der wiedergenesene Kommandant Teddy Evans mit einem Megafon gut gelaunt von der Brücke. Es folgte eine unheilschwangere
Stille, ehe es Campbell übers Herz brachte zu antworten und vom Tod der Polfahrer zu berichten. Kaum 48 Stunden später war die Terra Nova beladen und abfahrtsbereit. Zuvor jedoch errichteten die Männer noch ein hölzernes Gedenkkreuz auf dem Observation Hill oberhalb von Hut Point. Es gab Diskussionen über die Inschrift; einige wollten ein Bibelzitat, »weil es den Frauen gefallen könnte«. Doch letztlich setzte sich Cherry-Garrard mit seinem Vorschlag durch, dem Schlussvers von Alfred Lord Tennysons Ulysses : »To strive, to seek, to find, and not to yield« – »Streben, suchen, finden – und nicht aufgeben.«
    Zum Abschied schrieb Cherry-Garrard in sein Tagebuch: »Ich verlasse Kap Evans ohne Bedauern. Ich will diesen Ort nie wieder sehen. Die angenehmen Erinnerungen sind von den üblen aufgesaugt worden.« Zeit seines Lebens sollte er sich damit quälen, warum er ein Dreivierteljahr zuvor am One Ton Depot mit den Hunden nicht weiter nach Süden gefahren war. Es wäre gegen die Anweisungen gewesen, doch es hätte den ein paar Dutzend Kilometer weiter verzweifelt kämpfenden Scott, Wilson und Bowers das Leben retten können.
    Eine Heldengeschichte
    Am 10. Februar traf die Terra Nova vor der neuseeländischen Küste ein, und zwei Männer ruderten in einem Beiboot an Land, um Telegramme aufzugeben und die Heimat schonend auf die Katastrophe vorzubereiten. Zwei Tage lang kreuzte das Forschungsschiff noch auf dem Meer, dann fuhr es in den Hafen von Lyttelton ein, wo alle Fahnen auf halbmast gesetzt waren. Die Nachricht von Scotts Tod traf Großbritannien und die ganze zivilisierte Welt wie ein Schock. Die Zeitungen überboten sich mit Schlagzeilen, Gedenkgottesdienste wurden abgehalten, Lehrer lasen ihren Schülern die Geschichte von Scotts tragischem Tod vor. König George V. sprach in einem Kondolenzschreiben von einer »schockierenden Katastrophe, die das englische Volk und die ganze Welt der Wissenschaft beklagen«. Von überall her trafen Beileidsbekundungen ein, selbst Kaiser Wilhelm II. verlieh seiner aufrichtigen Bewunderung für die Helden von Kapitän Scotts Expedition Ausdruck.

    Abb 215
    Abb 182
    Ein tragischer Held … Der Daily Mirror widmete ihm noch ein Jahr später eine Titelseite (links), und seine Witwe Kathleen schuf ihm eine Bronzestatue.
    Abb 219
    … und seine Glorifizierung: Dieses Porträt eines unbekannten Malers verleiht Scott den Nimbus der Unsterblichkeit.
    Abb 216
    Kathleen Scott, hier im November 1913 mit ihrem Sohn Peter, nahm die Nachricht vom Tod ihres Mannes mit der Gefasstheit einer britischen Offiziersgattin auf.
    Abb 193
    Seine Begeisterung für die Fliegerei als Mittel der Polarforschung wurde Roald Amundsen, hier mit einem Dornier-Flugboot, schließlich zum Verhängnis.

    Während die Nachricht in Großbritannien bekannt wurde, befand sich Kathleen Scott auf hoher See – sie hoffte, ihren Mann nach dessen Rückkehr aus der Antarktis in Neuseeland zu treffen. Die Nachricht von seinem Tod trug sie in der Öffentlichkeit mit jener vollkommenen Selbstbeherrschung, die Scott sie gelehrt hatte. Tief in ihrem Inneren sah es freilich anders aus: Sie hätte sich, so schrieb sie, wenn sie an ein Leben nach dem Tod geglaubt hätte, am liebsten sofort über Bord geworfen. In Neuseeland übergab ihr Atkinson die Briefe und Tagebücher ihres Mannes. Kathleen erkannte sofort den literarischen Wert dieses Materials. Kaum bearbeitet, wurden die Dokumente umgehend veröffentlicht und gerieten zu einem Riesenerfolg. Scott war ein besserer Schriftsteller als Amundsen, und von jeher fesselte die Menschen eine Tragödie mehr als ein nüchterner Bericht über ein erfolgreich zu Ende gebrachtes Unternehmen, das keine größeren Opfer gefordert hatte als einige Hundeleben. Scotts Texte befriedigten zudem das Bedürfnis nach einem Heroismus um seiner selbst willen in einer Zeit, in der die Menschen anderthalb Jahre später den Ersten Weltkrieg begeistert als Ausbruch aus den Zwängen einer Epoche
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