Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück
Autoren: E.M. Remarque
Vom Netzwerk:
– trotz allem wieder kämpfen –
    Ein stämmiger Sergeant mit erhitztem Gesicht schiebt sich zu uns durch. Er übersprudelt Kosole, der ihm am nächsten steht, mit einem Schwall deutscher Worte. Ferdinand zuckt zusammen, so überrascht ihn das.
    »Der spricht ja genau wie wir«, sagt er verwundert zu Bethke, »was sagst du nun?«
    Der Mann spricht sogar besser und geläufiger als Kosole. Er erzählt, dass er vor dem Kriege in Dresden gewesen wäre und dort viele Freunde hätte.
    »In Dresden?«, fragt Kosole immer verblüffter, »da war ich ja auch zwei Jahre. –«
    Der Sergeant lächelt, als wäre das eine Auszeichnung. Er nennt die Straße, in der er gewohnt hat.
    »Keine fünf Minuten von mir«, erklärt Ferdinand jetzt aufgeregt, »dass wir uns da nicht gesehen haben! Kennen Sie vielleicht die Witwe Pohl, Ecke Johannisgasse? So eine Dicke mit schwarzen Haaren? Meine Wirtin.«
    Der Sergeant kennt sie zwar nicht, dafür aber den Rechnungsrat Zander, auf den sich wiederum Kosole nicht besinnen kann. Aber beide erinnern sich an die Elbe und an das Schloss und strahlen sich deshalb an, als wären sie alte Freunde. Ferdinand haut dem Sergeanten auf den Oberarm: »Mensch, Mensch – quatscht deutsch wie ein Alter und ist in Dresden gewesen! Mann, wozu haben wir beide eigentlich Krieg geführt?«
    Der Sergeant lacht und weiß es auch nicht. Er holt ein Päckchen Zigaretten heraus und hält es Kosole hin. Der greift eilig zu, denn für eine Zigarette würde jeder von uns gern ein Stück seiner Seele hingeben. Unsere eigenen sind nur aus Buchenlaub und Heu, und das ist noch die bessere Sorte. Valentin Laher behauptet, die gewöhnlichsten wären aus Seegras und getrocknetem Pferdemist – und Valentin ist Kenner.
    Kosole bläst den Rauch voll Genuss von sich. Wir schnuppern gierig. Laher wird blass. Seine Nasenflügel beben. »Gib mal einen Zug«, sagt er flehentlich zu Ferdinand. Aber ehe er die Zigarette nehmen kann, hält ihm ein anderer Amerikaner ein Paket Virginiatabak entgegen. Ungläubig sieht Valentin ihn an. Dann nimmt er es und riecht daran. Sein Gesicht verklärt sich. Zögernd gibt er den Tabak zurück. Doch der andere wehrt ab und deutet heftig auf die Kokarde an Lahers Krätzchen, das aus dem Brotbeutel hervorlugt.
    Valentin versteht ihn nicht. »Er will den Tabak gegen die Kokarde tauschen«, erklärt der Sergeant aus Dresden. Das versteht Laher noch weniger. Diesen erstklassigen Tabak gegen eine blecherne Kokarde – der Mann muss übergeschnappt sein. Valentin würde das Päckchen nicht rausrücken, selbst wenn er dafür auf der Stelle Unteroffizier oder Leutnant werden könnte. Er bietet dem anderen gleich die ganze Mütze an und stopft sich mit zitternden Händen gierig die erste Pfeife.
    Wir haben jetzt begriffen, was los ist: die Amerikaner wollen tauschen. Man merkt, dass sie noch nicht lange im Kriege sind; sie sammeln noch Andenken, Achselklappen, Kokarden, Koppelschlösser, Orden, Uniformknöpfe. Wir versorgen uns dagegen mit Seife, Zigaretten, Schokolade und Konserven. Für unsern Hund wollen sie uns sogar eine ganze Handvoll Geld obendrein geben – aber da können sie bieten, was sie wollen, Wolf bleibt bei uns. Dafür haben wir mit unseren Verwundeten Glück. Ein Amerikaner mit so viel Gold im Munde, dass die Schnauze wie eine Messingwerkstatt glänzt, will gerne Verbandfetzen mit Blut daran haben, um zu Hause beweisen zu können, dass sie tatsächlich aus Papier gewesen sind. Er bietet erstklassigen Keks und vor allem einen Arm voll Verbandzeug dafür. Sorgfältig und sehr zufrieden verstaut er die Lappen in seiner Brieftasche, besonders die von Ludwig Breyer, denn das ist ja Leutnantsblut. Ludwig hat mit Bleistift Ort, Namen und Truppenteil darauf schreiben müssen, damit jeder in Amerika gleich sehen kann, dass die Sache kein Schwindel ist. Zuerst wollte er zwar nicht – aber Weil redete ihm zu, denn wir brauchen das gute Verbandzeug bitter nötig. Außerdem ist der Keks für ihn mit seiner Ruhr direkt eine Rettung.
    Den besten Schlag jedoch macht Arthur Ledderhose. Er schleppt eine Kiste mit Orden heran, die er in einer verlassenen Schreibstube gefunden hat. Ein ebenso zerknitterter Amerikaner wie er, mit ebensolchem Zitronengesicht, will die ganze Kiste auf einmal erwerben. Aber Ledderhose sieht ihn nur mit einem langen überlegenen Blick aus zusammengekniffenen Augen an. Der Amerikaner hält den Blick ebenso unbeweglich und scheinbar harmlos aus. Beide gleichen sich auf einmal wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher