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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück
Autoren: E.M. Remarque
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aus dem Büro der Fabrik und ruft uns zusammen. Es ist ein Befehl da, dass aus der Mannschaft Vertrauensleute gewählt werden sollen. Wir sind erstaunt darüber. Bislang gab es so was nicht.
    Da erscheint Max Weil auf dem Hof. Er schwenkt ein Zeitungsblatt und ruft: »In Berlin ist Revolution.«
    Heel wendet sich um. »Unsinn«, sagt er scharf, »in Berlin sind Unruhen.«
    Aber Weil ist noch nicht fertig. »Der Kaiser ist nach Holland geflohen.«
    Das weckt uns auf. Weil muss verrückt sein. Heel wird knallrot und schreit:
    »Verdammter Lügner!«
    Weil übergibt ihm die Zeitung. Heel zerknüllt sie und starrt Weil wütend an. Er kann ihn nicht leiden, denn Weil ist Jude, ein ruhiger Mensch, der immer herumsitzt und Bücher liest. Heel aber ist ein Draufgänger.
    »Alles Quatsch«, knurrt er und sieht Weil an, als wolle er ihn fressen.
    Max knöpft seinen Rock los und holt ein zweites Extrablatt heraus. Heel wirft einen Blick darauf, dann reißt er es in Fetzen und geht in sein Quartier. Weil setzt das Blatt wieder zusammen und liest uns die Nachrichten vor. Wir sitzen da wie besoffene Hühner. Das versteht keiner mehr. »Es heißt, er wollte einen Bürgerkrieg vermeiden«, sagt Weil.
    »Blödsinn«, ruft Kosole, »wenn wir das nun auch gesagt hätten, damals. Verflucht, und dafür hat man hier ausgehalten.«
    »Jupp, fass mich mal an, ob ich noch da bin«, sagt Bethke kopfschüttelnd. Jupp bestätigt es. »Dann muss es ja stimmen«, fährt Bethke fort, »aber trotzdem begreife ich nichts. Wenn einer von uns das gemacht hätte, wäre er an die Wand gestellt worden.«
    »Ich darf jetzt nicht an Weßling und Schröder denken«, sagt Kosole und ballt die Fäuste, »sonst fliege ich auseinander. Küken Schröder, das Kind, plattgehauen hat er dagelegen, und der, für den er gefallen ist, reißt aus! – Kotzverflucht! –« Er knallt die Absätze gegen eine Biertonne. Willy Homeyer macht eine wegwerfende Handbewegung. »Wollen lieber von was anderm reden«, schlägt er dann vor, »der Mann ist für mich endgültig erledigt.«
    Weil erklärt, dass bei verschiedenen Regimentern Soldatenräte gebildet worden seien. Die Offiziere seien keine Vorgesetzten mehr. Vielen hätte man die Achselstücke heruntergerissen.
    Er will auch bei uns einen Soldatenrat gründen. Aber er findet wenig Gegenliebe. Wir wollen nichts mehr gründen. Wir wollen nach Hause. Und dahin kommen wir auch so.
    Schließlich werden drei Vertrauensleute gewählt: Adolf Bethke, Max Weil und Ludwig Breyer.
    Weil verlangt von Ludwig, er solle seine Achselstücke abmachen. »Hier –«, sagt Ludwig müde und tippt an seine Stirn. Bethke schiebt Weil zurück. »Ludwig gehört doch zu uns«, sagt er kurz. Breyer ist als Kriegsfreiwilliger zur Kompanie gekommen und da Leutnant geworden. Er duzt sich nicht nur mit uns, mit Troßke, Homeyer, Bröger und mir – das ist selbstverständlich, denn wir sind seine Mitschüler von früher –, sondern auch mit seinen älteren Kameraden, wenn kein anderer Offizier in der Nähe ist. Das wird ihm hoch angerechnet. »Aber Heel«, beharrt Weil.
    Das ist eher zu verstehen. Weil ist oft von Heel schikaniert worden: kein Wunder, dass er jetzt seinen Triumph erleben will. Uns ist es schnuppe. Heel war zwar scharf, aber er ging ran wie Blücher und war immer vorneweg. Da unterscheidet der Soldat schon.
    »Kannst ihn ja mal fragen«, sagt Bethke.
    »Aber nimm dir Verbandpäckchen mit«, ruft Tjaden hinterher. Doch es wird anders. Heel kommt aus dem Büro, als Weil gerade hinein will. Er hat ein paar Formulare in der Hand und zeigt darauf. »Es stimmt«, sagt er zu Max.
    Weil beginnt zu reden. Als er bei den Achselstücken ist, macht Heel eine jähe Bewegung. Wir glauben, dass jetzt der Krach losgeht, aber der Kompanieführer sagt zu unserer Verwunderung plötzlich nur: »Sie haben recht.« Dann wendet er sich an Ludwig und legt ihm die Hand auf die Schulter. »Werden Sie wohl nicht verstehen, Breyer, was? Mannschaftsrock, das ist es. Das andere ist jetzt vorbei.«
    Keiner von uns sagt etwas. Das ist nicht mehr der Heel, den wir kennen, der nur mit einem Spazierstock nachts auf Patrouille ging und als kugelfest galt: das ist ein Mensch, der Mühe hat, zu stehen und zu sprechen.
    Abends, als ich schon schlafe, werde ich von einem Gemurmel geweckt. »Du spinnst«, höre ich Kosole sagen. »Tatsache«, erklärt Willy dagegen. »Komm selbst mit.«
    Sie rappeln sich auf und gehen zum Hof. Ich folge ihnen. Im Büro ist Licht, man kann
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