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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück
Autoren: E.M. Remarque
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zucken immer noch in den verlassenen Trichter.
    Es wird ruhiger. Ich habe Angst um Ludwig. Aber er ist da. Dann kriecht Bethke heran. »Weßling?«
    »Was ist mit Weßling? Wo ist Weßling?« – Der Ruf steht plötzlich im dumpfen Rollen der Ferngeschütze. »Weßling – Weßling –«
    Heel taucht auf. »Was ist?«
    »Weßling fehlt.«
    Tjaden hat neben ihm gelegen, als es zurückging, ihn dann aber nicht mehr gesehen. »Wo?«, fragt Kosole. Tjaden zeigt dahin. »Verdammt! –« Kosole sieht Bethke an. Bethke Kosole. Beide wissen, dass dies vielleicht unser letztes Gefecht ist. Sie zögern keinen Moment. »Einerlei«, knurrt Bethke. »Los«, schnauft Kosole. Sie verschwinden im Dunkel. Heel springt hinter ihnen heraus.
    Ludwig macht alles fertig, um sofort vorzustoßen, falls die drei angegriffen werden. Es bleibt vorläufig still. Plötzlich aber blitzen Explosionen von Handgranaten. Revolverschüsse knallen dazwischen. Wir springen sofort vor, Ludwig als Erster – da tauchen die schweißigen Gesichter Bethkes und Kosoles schon auf, die jemand auf einer Zeltbahn hinter sich herschleifen.
    Heel? Es ist Weßling, der stöhnt. Heel? Hält die andern auf, er hat geschossen; gleich darauf ist er zurück, »die ganze Bande im Trichter erledigt«, schreit er, »und zwei noch mit dem Revolver.« Dann starrt er auf Weßling. »Na, was ist?« Der antwortet nicht. Sein Bauch ist aufgerissen wie ein Fleischerladen. Man kann nicht sehen, wie tief die Wunde reicht. Sie wird notdürftig verbunden. Weßling stöhnt nach Wasser, aber er kriegt keins. Bauchverletzte dürfen nicht trinken. Dann verlangt er nach Decken. Ihn friert, er hat viel Blut verloren.
    Ein Gefechtsläufer bringt den Befehl, weiter zurückzugehen. Weßling nehmen wir in einer Zeltbahn mit, durch die ein Gewehr zum Tragen gesteckt wird, bis wir eine Bahre finden. Vorsichtig tappen wir hintereinander her. Es wird allmählich hell. Silberner Nebel im Gebüsch. Wir verlassen die Gefechtszone. Schon glauben wir, es sei alles vorbei, da sirrt es leise heran und schlägt tackend auf. Ludwig Breyer krempelt schweigend seinen Ärmel hoch. Er hat einen Schuss in den Arm bekommen. Weil verbindet ihn.
    Wir gehen zurück. Zurück.
    Die Luft ist milde wie Wein. Das ist kein November, das ist März. Der Himmel blassblau und klar. In den Lachen am Wege spiegelt sich die Sonne. Wir gehen durch eine Pappelallee. Die Bäume stehen zu beiden Seiten der Straße, hoch und fast unversehrt, nur manchmal fehlt einer. Diese Gegend war früher Hinterland, sie ist nicht so verwüstet worden wie die Kilometer davor, die wir Tag um Tag, Meter um Meter aufgegeben haben. Die Sonne leuchtet auf der braunen Zeltbahn, und während wir durch die gelben Alleen gehen, schweben segelnd immerfort Blätter darauf herunter; einige fallen hinein.
    In der Lazarettstation ist alles voll. Viele Verwundete liegen schon vor der Tür. Wir lassen Weßling einstweilen auch draußen. Eine Anzahl Armverwundeter mit weißen Verbänden formiert sich zum Abmarsch. Das Lazarett wird schon aufgelöst. Ein Arzt läuft herum und untersucht die Neuangekommenen. Einen Mann, dem das Bein lose, falsch geknickt im Kniegelenk hängt, lässt er sofort hereinschaffen. Weßling wird nur verbunden und bleibt draußen.
    Er wacht aus seinem Dösen auf und sieht dem Arzt nach. »Weshalb geht er denn ab?«
    »Wird schon wiederkommen«, sage ich.
    »Aber ich muss doch rein, ich muss operiert werden.« Er wird auf einmal furchtbar aufgeregt und tastet nach dem Verband. »Das muss doch gleich genäht werden.«
    Wir versuchen, ihn zu beruhigen. Er ist ganz grün und schwitzt vor Angst: »Adolf, renn hinterher, er soll kommen.«
    Bethke zögert einen Moment. Aber er kann nicht anders unter Weßlings Augen, obschon er weiß, dass es keinen Zweck hat. Ich sehe ihn mit dem Arzt sprechen. Weßling blickt ihm nach, so weit er kann, es sieht schrecklich aus, wie er den Kopf herumzudrehen versucht.
    Bethke kommt so zurück, dass Weßling ihn nicht erblicken kann, schüttelt den Kopf und zeigt mit den Fingern eins und macht mit dem Munde unhörbar: Ei-ne Stun-de. –
    Wir setzen zuversichtliche Gesichter auf. Aber wer kann einen sterbenden Bauern täuschen! Als Bethke ihm sagt, er werde später operiert werden, die Wunde müsse erst etwas anheilen, weiß Weßling schon alles. Einen Augenblick schweigt er, dann keucht er leise: »Ja, da steht ihr und seid heil – und kommt nach Hause – und ich – vier Jahre und so was – vier Jahre – und
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