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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück
Autoren: E.M. Remarque
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hat. Schleicht Gas heran? Aber der Wind steht schlecht, er würde es abtreiben. Kommt ein Angriff? Aber dann wäre er durch die Stille ja vorzeitig verraten. Was ist bloß los? Die Granate in meiner Hand ist nass, so schwitze ich vor Erregung. Es ist, als wollten die Nerven reißen. Fünf Minuten. Zehn Minuten. »Jetzt schon eine Viertelstunde«, ruft Valentin Laher. Seine Stimme schallt hohl im Nebel wie aus einem Grabe. Und immer noch geschieht nichts, kein Angriff, keine plötzlich verdunkelnden, springenden Schatten … Die Hände lockern sich und schließen sich fester. Das ist nicht mehr zum Aushalten! Wir sind den Lärm der Front so gewohnt, dass wir das Gefühl haben, jetzt, wo er mit einmal nicht mehr auf uns lastet, zerplatzen zu müssen, hochzufliegen wie Ballons.
    »Mensch, pass auf, es ist Frieden«, sagt Willy plötzlich, und das schlägt ein wie eine Bombe.
    Die Gesichter lockern sich, die Bewegungen werden ziellos und unsicher. Frieden? Wir sehen uns ungläubig an. Frieden? Ich lasse meine Handgranaten fallen. Frieden? Ludwig legt sich langsam wieder auf seine Zeltbahn. Frieden? Bethke hat einen Ausdruck in den Augen, als würde sein Gesicht gleich zerbrechen. Frieden? Weßling steht unbeweglich wie ein Baum, und als er das Gesicht abwendet und sich zu uns dreht, sieht er aus, als wolle er gleich weitergehen bis nach Hause.
    Auf einmal, wir haben es kaum bemerkt im Wirbel unserer Erregung, ist das Schweigen zu Ende, dumpf dröhnen wieder die Abschüsse, und wie Spechtgehacke knarrt auch bereits von weither ein MG Wir werden ruhig und sind fast froh, die vertrauten Geräusche des Todes wieder zu hören.
    Den Tag über haben wir Ruhe. Nachts sollen wir ein Stück zurück, wie schon oft bisher. Aber die von drüben folgen nicht einfach, sondern sie greifen an. Ehe wir uns versehen, kommt schweres Feuer herüber. Hinter uns tost es in roten Fontänen durch die Dämmerung. Einstweilen ist es bei uns noch ruhig. Willy und Tjaden finden zufällig eine Büchse Fleisch und fressen sie sofort auf. Die andern liegen da und warten. Die vielen Monate haben sie ausgeglüht, sie sind fast gleichgültig, solange sie sich nicht wehren können.
    Der Kompanieführer kriecht in unsern Trichter. »Habt ihr alles?«, fragt er durch den Lärm. »Zu wenig Munition«, schreit Bethke. Heel zuckt die Achseln und schiebt Bethke eine Zigarette über die Schulter zu. Der nickt, ohne umzusehen. »Muss so gehen«, ruft Heel und springt zum nächsten Trichter. Er weiß, dass es gehen wird. Jeder dieser alten Soldaten könnte genauso gut Kompanieführer sein wie er selber.
    Es wird dunkel. Das Feuer erwischt uns. Schutz haben wir wenig. Wir wühlen im Trichter mit Händen und Spaten Löcher für die Köpfe. So liegen wir fest angepresst, Albert Troßke und Adolf Bethke neben mir. Zwanzig Meter neben uns wichst es ein. Wir reißen die Schnauzen auf, als das Biest ranpfeift, um die Trommelfelle zu retten, aber auch so sind wir halb taub, Erde und Dreck spritzen uns in die Augen, und der verfluchte Pulver-und Schwefelqualm kratzt uns im Halse. Es regnet Sprengstücke. Einen hat es bestimmt erwischt, denn in unsern Trichter saust mit einem heißen Granat-fetzen eine abgerissene Hand, gerade neben Bethkes Kopf.
    Heel springt zu uns herein, kalkweiß vor Wut unter dem Helm beim Aufflackern der Explosionen. »Brand«, keucht er, »Volltreffer, alles weg.«
    Wieder kracht es, braust, brüllt, regnet Dreck und Eisen, die Luft donnert, die Erde dröhnt. Dann hebt sich der Vorhang, gleitet zurück, im gleichen Augenblick heben sich Menschen, verbrannt, schwarz aus der Erde, Handgranaten in den Fäusten, lauernd und bereit. »Langsam zurück«, ruft Heel.
    Der Angriff liegt links von uns. Ein Trichternest von uns wird umkämpft. Das MG bellt. Die Blitze der Handgranaten zucken. Plötzlich schweigt das MG – Ladehemmung. Sofort wird das Nest von der Flanke gefasst. Ein paar Minuten noch und es ist abgeschnitten. Heel sieht es. »Verflucht«, er setzt über die Böschung. »Vorwärts!« Munition fliegt mit hinüber, rasch liegen Willy, Bethke, Heel in Wurfweite und werfen, Heel springt schon wieder hoch, er ist verrückt in solchen Momenten, ein wahrer Satan. Aber es gelingt, die im Trichter fassen neuen Mut, das MG kommt wieder in Schwung, die Verbindung ist da, und wir springen gemeinsam zurück, um den Betonklotz hinter uns zu erreichen. Es ist so schnell gegangen, dass die Amerikaner gar nicht gemerkt haben, wie das Nest geräumt wurde. Blitze
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