Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg ins Verderben

Der Weg ins Verderben

Titel: Der Weg ins Verderben
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
weiter nach. Nebeneinander gingen wir auf die zweckentfremdete Kirche zu, und auch in diesem Fall verhielt sich Harriet Brown tadellos. Sie sprach nicht, sie machte keine Anstalten, mir zu entfliehen, sie ging einfach weiter. Ihr Gang hatte etwas Schleppendes. Zudem bewegte sie ihren Kopf. Mal schaute sie hoch, dann wieder in die Tiefe, so wechselte sie laufend ab.
    Ich blickte ebenfalls hoch und wollte mir die Breitseite der Kirche anschauen.
    Hin und wieder erschien etwas an der Außenseite. Es war kein Licht, aber es sah aus wie ein Licht. Das jedoch traf nicht zu, denn was dort erschien, hatte eine bestimmte Form, die hoch und breit war.
    So sah ein Schädel aus.
    Man konnte auch von einem Totenschädel sprechen, der an der Außenseite der Kirche zu sehen war und auf mich wie eine schwache Zeichnung wirkte, die nicht immer vorhanden war, sondern ab und zu wieder verschwand, um dann erneut zu erscheinen.
    Ich sprach Harriet darauf an.
    Sie lächelte dünn.
    Wir blieben stehen, und ich wiederholte meine Frage. »Haben Sie die Veränderungen auch gesehen?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Und?«
    »Ich kenne sie.«
    »Okay«, sagte ich, »Sie haben von einem Gehirn gesprochen. Das Gehirn, das den Weg bereitet. Ist es das? Ist dieser Schädel das Gehirn?«
    »Ja und nein. Man kann es so sagen. Es ist noch viel mehr. Es ist vielleicht eine Lockung an andere Menschen. Ich weiß es nicht so genau.«
    »Aber Sie gehören doch dazu.«
    »Wenn schon, ich bin nicht wichtig.«
    »Wer ist dann wichtig?«
    »Der Weg …«
    Ich beließ es dabei. Es konnte nicht nur der Weg sein, sondern auch die Hölle selbst oder das Verderben. Das würde sich alles noch herausstellen.
    Die Kirche wartete auf uns. Und damit auch der Eingang. Man konnte von einer breiten Holztür sprechen, die aus zwei Teilen bestand. Rechts und links wurden die Türen von jeweils zwei Holzplatten eingerahmt, die dicht an das Mauerwerk gedrängt waren. Beim Näherkommen sah ich, dass die Platten beschriftet waren. Die einzelnen Texte waren nicht mehr zu lesen. Der Zahn der Zeit hatte an ihnen genagt, sie erbleichen und auch verschwinden lassen.
    Natürlich war die Tür geschlossen. Aber sie war nicht verschlossen, denn meine Begleiterin öffnete sie.
    »Oh, dann kann jeder die Kirche betreten – oder?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Wen interessiert schon ein Ossarium?«
    »Aha, das ist sie geworden.«
    »Ja, sehr richtig.«
    Was war ein Ossarium? Früher hätte man Beinhaus dazu gesagt. Der Begriff stammte aus dem Altertum, dort hatte es diese Beinhäuser oft gegeben. Aber auch Jahrhunderte später hatte man auf sie nicht verzichtet. Und neuerdings wurden Kirchen, die nicht mehr gebraucht wurden, in Ossarien verwandelt. Nur wurden hier keine Knochen mehr aufgebahrt, sondern Urnen, die mit der Asche von eingeäscherten Toten gefüllt waren.
    Ja, so war das auch in diesem Fall, denn kaum hatte ich die Kirche betreten, da sah ich die ersten Urnen. Sie standen in Nischen, die man in die Wand geschlagen hatte. Am Eingang fingen sie an, und sie zogen sich über die beiden Wände hinweg, die sich gegenüber standen.
    Was war noch vorhanden?
    Ich wusste die Antwort, denn ich sah sie. Es handelte sich um das Taufbecken, das nicht aus der Kirche entfernt worden war, ganz im Gegensatz zu den meisten Stühlen, die hier die Bänke ersetzt hatten. Einige Stühle standen noch in der Mitte, sie sahen aus, als wären sie bewusst dort hingestellt worden.
    Ich legte meinen Kopf zurück und schaute in die Höhe. Obwohl die Decke recht hell gestrichen war, verschwand sie doch im Dämmer. Fenster gab es an die beiden Seiten. Sie waren schmal und länglich. Das Glas zeigte keine bunten Motive. Licht fiel von außen her hinein und verbreiteten eine trübe Stimmung.
    Ob wir allein waren oder nicht, das war für uns nicht zu erkennen, dafür gab es noch zu viele dunkle Stellen in dieser Kirche, die auch als Verstecke dienen konnten.
    Ich blieb neben dem Taufbecken stehen. Wasser befand sich nicht mehr darin, nur eine helle Kruste bedeckte den Boden. Die salzigen Rückstände des Taufwassers.
    »Ja«, flüsterte Harriet Brown, »hier ist es. Hier fühlen wir uns wohl.«
    »Beginnt hier der Weg?«
    »Ja.«
    »Und dann?«
    »Das muss jeder selbst erfahren. Er teilt sich. Sein Körper ist hier, aber sein Geist nicht. Es ist ein wunderbares Erlebnis, das kann ich Ihnen schwören.«
    »Und dafür sorgt also dieser Doktor Sarko.«
    »Ja, das tut er.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Ich weiß es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher