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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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machen.
    Jim blieb auf dem Baum hocken. Als er die Indianer nicht mehr sehen konnte, lauschte er auf jedes Geräusch. Die knackenden Tritte der Pferde auf dem Waldboden waren in der stillen Wildnis weithin vernehmbar. Als sie verstummt waren, sah Jim bald die dünnen Rauchsäulen aus den Zelten über die Baumwipfel aufsteigen. Die Schar hatte sich, wie er schon vermutete, auf derselben Lichtung niedergelassen, auf der im Frühjahr die Bärenbande gelagert hatte.
    Solange sich Dakota überhaupt, und zudem noch einer ihrer hervorragendsten Führer, in solcher Nähe der Höhle aufhielten, mußte der Rote Jim verschwinden. Weg mußte er, weg, und das an dem Tage, an dem er den Goldstaub entdeckt hatte. Vermaledeite, dreckige, unnütze und widerwärtige Indianer! Er würde gehen, aber er würde wiederkommen, er, so wahr er rote Haare hatte, aber eine schwarze Perücke trug. Zu Beginn der Nacht verließ er seinen Beobachtungsplatz und schlich sich zunächst nordwärts, um zwischen sich und das Zeltlager des Dakotatrupps möglichst rasch eine möglichst große Strecke zu legen. Als er durch den Wald huschte, immer auf der Hut und immer gewärtig, auf einen Späher zu treffen, den er irreführen mußte, hatte er plötzlich eine ganz andere, viel weniger erwartete Begegnung.
    Auf einer alten Lichtung, die schon wieder zuwuchs, hatte sich viel Buschwerk angesiedelt, und The Red schwankte, ob er seinen Weg durch diese Büsche hindurch nehmen oder noch mehr Zeit verlieren und sie umgehen sollte. Er entschloß sich, wenigstens ein Stück weit in die Büsche einzudringen, denn der Boden war hier von altem Geröll bedeckt und würde wenig Spuren annehmen. Vielleicht war es gar nicht so schwierig, sich zwischen diesen Büschen und Stämmchen durchzuschlängeln, wie es zunächst scheinen mochte. Er legte sich hin und kroch zwischen die Sträucher, ohne die Zweige zu bewegen, die unter dem Sternenhimmel als Schattenrisse sichtbar waren. Links im Busch nahm er irgendeine im ersten Moment unerfindliche, kompakte dunkle Masse wahr. Ehe er ihre Natur ergründen konnte, kam sie in Bewegung, wie ein Igel, der sich aufrollt, um die Beine zu gebrauchen und zu fliehen. Allerdings war die bewegliche Masse reichlich groß und der Vergleich mit einem Igel daher wenig passend. The Red schnupperte wie ein Hund; er hatte eine gute Nase und roch den Bären. Zur selben Zeit war auch für das Auge schon unverkennbar, was hier davonlief. The Red hätte am liebsten wieder laut hinausgelacht, als er den zottigen Honigschlecker zum zweiten Male flüchten sah. Aber er hütete sich wohl, seine Stimme laut werden zu lassen. Zudem fühlte er sich dem braunen Räuber, der erschreckt durch den nächtlichen Wald davonlief, auf seine Weise verbunden. Den Zottelbär hatte das Insektenvolk um den Honigraub gebracht, und den Roten Jim vertrieben die Indianer von der erhofften Goldausbeute. Auch The Red mußte fliehen! Auf einem großen Umweg wollte er sich zum Niobrara begeben, um die Handelsstation des zahnlosen Ben kennenzulernen und sich dort zu informieren, was es in Prärie und. Felsengebirge etwa Neues gab.
    Als The Red einige Tage unterwegs gewesen war und den ausgedehnten Bergstock halb umkreist hatte, fiel ihm ein, daß es unter den jetzigen Umständen vorteilhafter war, wenn er sich wieder ein Pferd verschaffte. Nicht nur, daß er damit schneller und mühloser vorankam, ein Mann ohne Pferd machte auch einen angeschlagenen Eindruck, der Mitleid oder Mißtrauen wecken mußte, und beides konnte The Red für seine Zwecke jetzt nicht mehr gebrauchen! Stark und vertrauenswürdig mußte er wieder wirken, um seine Ziele zu erreichen.
    Er tat sich daher im Norden der Black Hills nach einigen wagemutigen Jägern um, deren Spuren er gefunden hatte, und es gelang ihm, ihnen des Nachts ein Pferd wegzustehlen. Das Tier war nicht erstklassig, aber auch nicht schlecht, und fürs erste wollte The Red sich damit zufriedengeben. Nachdem er die Bequemlichkeit des Reitens so lange entbehrt hatte, war es ihm ein Vergnügen, wieder einmal im Galopp über die Prärie zu fliegen. Um seine Fährten kümmerte er sich bald nicht mehr. Die Bestohlenen hatte er, das beste ihrer Pferde reitend, abgehängt, und auf der Ostseite der Black Hills einer Dakotagruppe zu begegnen, war für einen einzelnen nicht sonderlich gefährlich, wenn er, wie The Red, die Dakotasprache kannte und seine guten und friedlichen Absichten wortreich nachweisen konnte.
    Der Reiter fand eine Reihe von Fährten,
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